Samstag, 17. Oktober 2020
Poetry Slam
Erstellt von kraehenpost um 21:47
Es stieg vor Jahren dann und wann
Ein Dichter aus dem Dichter-Schlamm
Erklomm Podeste oder Bühnen
Die ihm vielversprechend schienen
Und begann auf allen Vieren
Vers für Vers zu deklamieren
Während er (oder auch sie)
An Wuchs gewann. Bis schließlich hie
Und da ein Exemplar erstand
Das man zweibeinig stehend fand
Und das, man stelle sich das vor,
Das Publikum im Chor erkor
Zum Sieger oder Siegerin
Der Herzen. Ach, zum Niederknien!
Dann kam Corona, so ein Pech,
Und alle Bühnen waren wech.
Nur dann und wann schallt noch ein "Aaaah!"
Im Dichter-Schlamm. Das wars dann. Tja.
Freitag, 16. Oktober 2020
Beobachtungen eines Kürbisses vor der Schlachtung
Erstellt von kraehenpost um 23:06
Reden wir heute mal nicht über's Töten
Denn Töten, das tun sie, die Menschen, sie flöten
Ein Liedchen, wenn sie uns die Leiber zerhacken
Wenn sie uns im Ofen zu Matsche verbacken
Denn Töten, das tun sie, wenn sie uns zu Brühe
Und Suppe, Mixed Pickles und Kürbispüree
Und zu Relish verpuppen, doch das ist nicht alles
Sie wuppen auch Folter im Falle des Falles:
Sie foltern die Kühe, die Schweine, die Hähne
Und sterben die doch, übergießt man mit Häme
Die Leiden der Viecher mit farbigen Bildern
Von glücklichen Tieren auf Supermarktschildern
Das wuppen Primaten wie Ficken im Stehn
Und zucken die Schultern: Schuld ist das System!
Das haben Herr Milton und Herr Lafontaine,
Karl Marx, Adam Smith schließlich auch so geseh'n.
Denn erst kommt der Bauch und erst dann die Moral
Hat Brecht schon gesagt. Und er meinte, dass Qual
Voll okay ist, solang man den Arm heben kann
Um zu zeigen: Nicht ich, sondern der da ist dran!
Der hat nämlich mehr, und solange der nicht
Etwas abgibt und anfängt mit seinem Verzicht
Verzichte ich gar nicht, das wär ja auch dumm
Und ungerecht, unsolidarisch(!) und drum
Hab ich Kürbis drei Tage von meinem Regal
Aus gesehen, wie alle zum Tiefkühlregal
Gepilgert sind, und zwischen Pizza und Torten
Das Billigfleisch schon mal für Weihnachten horten
Ich hab mich erkundigt. Wir Kürbisse haben
Ein längeres, besseres Leben im Garten
Als die armen Schweine und anderes Vieh
Nur wissen die's nicht (man sagt's ihnen nie)
Jetzt denkst du vielleicht, ich sei ehrlich empört
Weil das Leiden der and'ren mich irgendwie stört
Iwo! Bist du dumm? Vegetarier? Breit?
Ich langweil mich nur und vertreib mir die Zeit.
Ich lieg auf 'nem Brettchen, daneben das Messer
Der Typ, der mich schlachten wollt, hat was vergessen,
Sich umgedreht, ist dann wohl ausgerutscht, wumms!
Genickbruch. Und mir ist todlangweilig. Bumms.
Donnerstag, 15. Oktober 2020
Corona-Zoo-Haikus
Erstellt von kraehenpost um 17:50
Eine Straßenbahn
Am Eingang zum Streichelzoo
Hustet sie Menschen
Raschelndes Herbstlaub
Riesenschlangen überall
Mit Nasenbären
Samstagvormittag
Husten pampt an der Kasse
Er habe ein Recht
Gähnender Käfig
Orang-Utans im Lockdown
Kicken Kastanien
Sonne, buntes Laub
Frau flieht aus Quarantäne
Zur Streichelwiese
Kindernasenrotz
Besucht das Regenwaldhaus
Roswithas Schal rutscht
Im Giraffenhaus
Oh! und Ah! und ab und zu
Trockener Husten
Laut bellender Horst
Wölfe kriechen irritiert
Aus ihrer Höhle
Ein Kinderspielplatz
Liegt verlassen im Regen
Gedränge im Shop
Regenmäntel und
Popcorngeruch im Bistro
Renate riecht nix
Joscha hat Schnotten!
Gummistiefelgehopse
In Matschepampe
Löwenbrüllen lässt
Menschen zusammenrücken
Irgendwo kichert's
Nachmittagssonne
Scheint auf verwaiste Wege
Zoodirektor keucht
Smartphone im Nebel
Affe kaut tausend Splitter
Von Gorilla Glas
Ein Gutachter stöhnt
Da sind Löcher im Gitter
Geier am Himmel
Frösteln beim Essen
Der kleine Jens rennt kurz los
Die Heizung hochdreh'n
Klirrendes Dunkel
Das grelle Licht der Klinik
Auf Tiergehegen
Mittwoch, 14. Oktober 2020
Fahrender Ritter
Erstellt von kraehenpost um 15:48
Es spielte ein fahrender Ritter
Am Wegesrand eifrig die Zitter.
Sang traurig ein Lied
Das sein Leiden beschrieb:
Er war unmusikalisch - wie bitter!
Dienstag, 13. Oktober 2020
Brehm einmal anders
Erstellt von kraehenpost um 23:27
Ein Frosch ist einmal, schwer besoffen,
Im Sumpf auf einen Storch getroffen.
Hat ihn beschimpft und ihn beleidigt;
Der Storch hat sich nur schwach verteidigt.
Da nahm der Frosch den Adebar
Und fraß ihn auf, mit Haut und Haar.
Worauf er seines Weges schwankte
Und Gott für diesen Happen dankte.
Sein Ende würd‘ ich gern verschweigen
Verfiel er doch 'ner Igeldame.
Und beim Versuch sie zu besteigen
Hat er sich aufgespießt, der Arme.
Sonntag, 11. Oktober 2020
Schlachtplan
Erstellt von kraehenpost um 23:46
Sie kam und sah und blieb. Und da
War ich, der leicht befremdet war
Geschmeichelt zwar und glücklich: Ja!
Doch skeptisch. War der Dame klar
Was hier mit ihr, mit uns geschah?
Es war nicht lang, nicht mal ein Jahr,
Dass wir zusammen wohnten, da
Fragt sie mich "Willst du?" Tja. "Na klar!"
Doch fragte sie natürlich nicht
Konventionell, so ist sie nicht!
Sie hatte alles gut geplant
Und ganz vorzüglich angebahnt
Mit Phantasie und viel Geschick
Das Glück forciert, den Augenblick,
Dass ich beschämt und dankbar war
Und wusste: Jetzt bin ich dran. Klar.
Nicht nur für einen Tag, ein Jahr,
So läuft das nicht. Was hier geschah
War größer, als ich's übersah.
Ich schwor mir: Während wir als Paar
Zusammen sind, da werd ich nicht
Das tun, was Konvention entspricht.
Mit Phantasie und mit Geschick
Werd ich das Glück, den Augenblick,
Forcier'n. So wie's die Liebste tat
So wie sie's stets gehalten hat
Und doch nie aus der Kurve fliegt
Stattdessen kommt und sieht und siegt.
Und dabei stets die alte bleibt
Die Junge. Die nie stehen bleibt
Und mich an ihrer Seite weiß
Wenn sie dem Glück entgegen reist.
Samstag, 10. Oktober 2020
Welten malen
Erstellt von kraehenpost um 23:17
Schau, sagst du, die Hügelkette, wie sie in das Meer abfällt, die Bäume erst, dann Sträucher, Felsen, Sand und ewig graues Wasser.
Schau, sag ich, das Fell des jungen Fuchses, der im Herbst auf einer Lichtung liegt, die Blätter leuchten rot und braun und gelb das Gras.
Schau, sagst du, die Linie bis zum Horizont, und noch dahinter neues Land und Abenteuer und Gebirge, hoch bis in die grauen Regenwolken.
Schau, sag ich, und neben ihm die Mutter, Nase in den Wind, das weiße Fell am Hals, die schwarzen Läufe und die gelben Schlangenaugen.
Schau, sagt eine, die es wissen muss, wie sie sich ihre Welten malen und beständig scheitern.
Schau, sagt einer, der es wissen muss, wie ihre Augen leuchten und sie ihre Ohren spitzen.
Schau.