Krähenpost
Freitag, 16. Oktober 2020

Beobachtungen eines Kürbisses vor der Schlachtung

Reden wir heute mal nicht über's Töten Denn Töten, das tun sie, die Menschen, sie flöten Ein Liedchen, wenn sie uns die Leiber zerhacken Wenn sie uns im Ofen zu Matsche verbacken

Denn Töten, das tun sie, wenn sie uns zu Brühe Und Suppe, Mixed Pickles und Kürbispüree Und zu Relish verpuppen, doch das ist nicht alles Sie wuppen auch Folter im Falle des Falles:

Sie foltern die Kühe, die Schweine, die Hähne Und sterben die doch, übergießt man mit Häme Die Leiden der Viecher mit farbigen Bildern Von glücklichen Tieren auf Supermarktschildern

Das wuppen Primaten wie Ficken im Stehn Und zucken die Schultern: Schuld ist das System! Das haben Herr Milton und Herr Lafontaine, Karl Marx, Adam Smith schließlich auch so geseh'n.

Denn erst kommt der Bauch und erst dann die Moral Hat Brecht schon gesagt. Und er meinte, dass Qual Voll okay ist, solang man den Arm heben kann Um zu zeigen: Nicht ich, sondern der da ist dran!

Der hat nämlich mehr, und solange der nicht Etwas abgibt und anfängt mit seinem Verzicht Verzichte ich gar nicht, das wär ja auch dumm Und ungerecht, unsolidarisch(!) und drum

Hab ich Kürbis drei Tage von meinem Regal Aus gesehen, wie alle zum Tiefkühlregal Gepilgert sind, und zwischen Pizza und Torten Das Billigfleisch schon mal für Weihnachten horten

Ich hab mich erkundigt. Wir Kürbisse haben Ein längeres, besseres Leben im Garten Als die armen Schweine und anderes Vieh Nur wissen die's nicht (man sagt's ihnen nie)

Jetzt denkst du vielleicht, ich sei ehrlich empört Weil das Leiden der and'ren mich irgendwie stört Iwo! Bist du dumm? Vegetarier? Breit? Ich langweil mich nur und vertreib mir die Zeit.

Ich lieg auf 'nem Brettchen, daneben das Messer Der Typ, der mich schlachten wollt, hat was vergessen, Sich umgedreht, ist dann wohl ausgerutscht, wumms! Genickbruch. Und mir ist todlangweilig. Bumms.

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