Krähenpost
Samstag, 17. Oktober 2020

Poetry Slam

Es stieg vor Jahren dann und wann Ein Dichter aus dem Dichter-Schlamm Erklomm Podeste oder Bühnen Die ihm vielversprechend schienen Und begann auf allen Vieren Vers für Vers zu deklamieren Während er (oder auch sie) An Wuchs gewann. Bis schließlich hie Und da ein Exemplar erstand Das man zweibeinig stehend fand Und das, man stelle sich das vor, Das Publikum im Chor erkor Zum Sieger oder Siegerin Der Herzen. Ach, zum Niederknien!

Dann kam Corona, so ein Pech, Und alle Bühnen waren wech. Nur dann und wann schallt noch ein "Aaaah!" Im Dichter-Schlamm. Das wars dann. Tja.

Freitag, 16. Oktober 2020

Beobachtungen eines Kürbisses vor der Schlachtung

Reden wir heute mal nicht über's Töten Denn Töten, das tun sie, die Menschen, sie flöten Ein Liedchen, wenn sie uns die Leiber zerhacken Wenn sie uns im Ofen zu Matsche verbacken

Denn Töten, das tun sie, wenn sie uns zu Brühe Und Suppe, Mixed Pickles und Kürbispüree Und zu Relish verpuppen, doch das ist nicht alles Sie wuppen auch Folter im Falle des Falles:

Sie foltern die Kühe, die Schweine, die Hähne Und sterben die doch, übergießt man mit Häme Die Leiden der Viecher mit farbigen Bildern Von glücklichen Tieren auf Supermarktschildern

Das wuppen Primaten wie Ficken im Stehn Und zucken die Schultern: Schuld ist das System! Das haben Herr Milton und Herr Lafontaine, Karl Marx, Adam Smith schließlich auch so geseh'n.

Denn erst kommt der Bauch und erst dann die Moral Hat Brecht schon gesagt. Und er meinte, dass Qual Voll okay ist, solang man den Arm heben kann Um zu zeigen: Nicht ich, sondern der da ist dran!

Der hat nämlich mehr, und solange der nicht Etwas abgibt und anfängt mit seinem Verzicht Verzichte ich gar nicht, das wär ja auch dumm Und ungerecht, unsolidarisch(!) und drum

Hab ich Kürbis drei Tage von meinem Regal Aus gesehen, wie alle zum Tiefkühlregal Gepilgert sind, und zwischen Pizza und Torten Das Billigfleisch schon mal für Weihnachten horten

Ich hab mich erkundigt. Wir Kürbisse haben Ein längeres, besseres Leben im Garten Als die armen Schweine und anderes Vieh Nur wissen die's nicht (man sagt's ihnen nie)

Jetzt denkst du vielleicht, ich sei ehrlich empört Weil das Leiden der and'ren mich irgendwie stört Iwo! Bist du dumm? Vegetarier? Breit? Ich langweil mich nur und vertreib mir die Zeit.

Ich lieg auf 'nem Brettchen, daneben das Messer Der Typ, der mich schlachten wollt, hat was vergessen, Sich umgedreht, ist dann wohl ausgerutscht, wumms! Genickbruch. Und mir ist todlangweilig. Bumms.

Donnerstag, 15. Oktober 2020

Corona-Zoo-Haikus

Eine Straßenbahn Am Eingang zum Streichelzoo Hustet sie Menschen

Raschelndes Herbstlaub Riesenschlangen überall Mit Nasenbären

Samstagvormittag Husten pampt an der Kasse Er habe ein Recht

Gähnender Käfig Orang-Utans im Lockdown Kicken Kastanien

Sonne, buntes Laub Frau flieht aus Quarantäne Zur Streichelwiese

Kindernasenrotz Besucht das Regenwaldhaus Roswithas Schal rutscht

Im Giraffenhaus Oh! und Ah! und ab und zu Trockener Husten

Laut bellender Horst Wölfe kriechen irritiert Aus ihrer Höhle

Ein Kinderspielplatz Liegt verlassen im Regen Gedränge im Shop

Regenmäntel und Popcorngeruch im Bistro Renate riecht nix

Joscha hat Schnotten! Gummistiefelgehopse In Matschepampe

Löwenbrüllen lässt Menschen zusammenrücken Irgendwo kichert's

Nachmittagssonne Scheint auf verwaiste Wege Zoodirektor keucht

Smartphone im Nebel Affe kaut tausend Splitter Von Gorilla Glas

Ein Gutachter stöhnt Da sind Löcher im Gitter Geier am Himmel

Frösteln beim Essen Der kleine Jens rennt kurz los Die Heizung hochdreh'n

Klirrendes Dunkel Das grelle Licht der Klinik Auf Tiergehegen

Mittwoch, 14. Oktober 2020

Fahrender Ritter

Es spielte ein fahrender Ritter Am Wegesrand eifrig die Zitter. Sang traurig ein Lied Das sein Leiden beschrieb: Er war unmusikalisch - wie bitter!

Dienstag, 13. Oktober 2020

Brehm einmal anders

Ein Frosch ist einmal, schwer besoffen, Im Sumpf auf einen Storch getroffen. Hat ihn beschimpft und ihn beleidigt; Der Storch hat sich nur schwach verteidigt.

Da nahm der Frosch den Adebar Und fraß ihn auf, mit Haut und Haar. Worauf er seines Weges schwankte Und Gott für diesen Happen dankte.

Sein Ende würd‘ ich gern verschweigen Verfiel er doch 'ner Igeldame. Und beim Versuch sie zu besteigen Hat er sich aufgespießt, der Arme.

Sonntag, 11. Oktober 2020

Schlachtplan

Sie kam und sah und blieb. Und da War ich, der leicht befremdet war Geschmeichelt zwar und glücklich: Ja! Doch skeptisch. War der Dame klar Was hier mit ihr, mit uns geschah?

Es war nicht lang, nicht mal ein Jahr, Dass wir zusammen wohnten, da Fragt sie mich "Willst du?" Tja. "Na klar!" Doch fragte sie natürlich nicht Konventionell, so ist sie nicht! Sie hatte alles gut geplant Und ganz vorzüglich angebahnt Mit Phantasie und viel Geschick Das Glück forciert, den Augenblick, Dass ich beschämt und dankbar war Und wusste: Jetzt bin ich dran. Klar. Nicht nur für einen Tag, ein Jahr, So läuft das nicht. Was hier geschah War größer, als ich's übersah. Ich schwor mir: Während wir als Paar Zusammen sind, da werd ich nicht Das tun, was Konvention entspricht.

Mit Phantasie und mit Geschick Werd ich das Glück, den Augenblick, Forcier'n. So wie's die Liebste tat So wie sie's stets gehalten hat Und doch nie aus der Kurve fliegt Stattdessen kommt und sieht und siegt. Und dabei stets die alte bleibt Die Junge. Die nie stehen bleibt Und mich an ihrer Seite weiß Wenn sie dem Glück entgegen reist.

Samstag, 10. Oktober 2020

Welten malen

Schau, sagst du, die Hügelkette, wie sie in das Meer abfällt, die Bäume erst, dann Sträucher, Felsen, Sand und ewig graues Wasser.

Schau, sag ich, das Fell des jungen Fuchses, der im Herbst auf einer Lichtung liegt, die Blätter leuchten rot und braun und gelb das Gras.

Schau, sagst du, die Linie bis zum Horizont, und noch dahinter neues Land und Abenteuer und Gebirge, hoch bis in die grauen Regenwolken.

Schau, sag ich, und neben ihm die Mutter, Nase in den Wind, das weiße Fell am Hals, die schwarzen Läufe und die gelben Schlangenaugen.

Schau, sagt eine, die es wissen muss, wie sie sich ihre Welten malen und beständig scheitern. Schau, sagt einer, der es wissen muss, wie ihre Augen leuchten und sie ihre Ohren spitzen.

Schau.

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