Freitag, 25. September 2020
Neo
Erstellt von kraehenpost um 23:57
Ein neoliberaler Sack
Macht Ärger, weil er Ärger hat.
Er sagt zur Marktfrau:
"Sag mir mal, was ist das, 'neoliberal'?
Sie sagen alle, das sei schlecht.
Ich glaub’s zwar nicht, doch ganz in echt
Hab ich ja keinen blassen Schimmer
Was das ist. Das stört mich immer."
"Ist schon gut". Die Marktfrau spricht,
"Die wissen das auch selber nicht.
Die merken, dass du irgendwie
Ein Arschloch bist. Doch keins wie sie.
Du bist ein Breitarsch in der Welt
Der schmalen Ärsche. Eins mit Geld.
Sie fragen rum. Und treffen dann
Den Menschen, der's erklären kann.
Es sei, sagt er, der Habitus,
Der nervt! Und dann der ganze Stuss
Von Leistungswillen, Fleiß und Markt,
Den man nicht stören darf, wenn's hakt."
"Das leuchtet ein", sagt ihr der Mann
"Wie komm ich an den Typen ran,
Der solche Analysen trifft?
Die sind gesellschaftliches Gift!"
"Oh Mann, weißt du es wirklich nicht?"
Die Marktfrau starrt ihm ins Gesicht,
"Du hast uns das doch selbst erzählt,
Mit PowerPoint! Für sehr viel Geld!
Auf einer Schulung der Partei
Warst du für einen Tag dabei!"
"Ach stimmt..." Der Mann denkt länger nach
"Der Auftrag hat nicht viel gebracht.
Da hab ich mir in einer Nacht
Den Scheiß kurz selber ausgedacht.
Und wieder, schwups, kaum war’s vorbei,
Vergessen. Futsch. Im Einerlei
Meiner Consulting-Gigs verschollen.
War halt, was sie hören wollen."
"Und, was ist die Konsequenz?"
Die Frau ist bleich wie ein Gespenst.
"Ruhig Blut!" Jetzt ist der Mann am Zug.
"Ich denk, für heute ist's genug.
Doch morgen hab ich noch was frei.
Du kannst mich buchen. Jederzeit."
Donnerstag, 24. September 2020
2 Limericks
Erstellt von kraehenpost um 23:38
Das Kissen im Hostel, es flüstert
Beflissen liebkost es die Nüstern
Doch durch einen Spalt
Scheint ein Sonnenstrahl, krallt
Sich ans Augenlid, stichelt und wispert.
Wenn’s regnet, geh raus, fang zu traben
an. Renn! Lass das Wasser dich tragen!
Sperr Ohren auf, Augen,
Die sonst zu nichts taugen.
Sperr‘s Maul auf! Und: zu. Keine Klagen
Mittwoch, 23. September 2020
Hauptbahnhof
Erstellt von kraehenpost um 10:27
Die SC-Zwanzig-Zwanzig knarzt beamtisch
Sprechaufforderung sofort
Anwärter Bastian kniet vor Ort
Auf Renitenz und heult sehr dilettantisch
Die Tränen der Kassiererin sind trocken
Schon seit sieben langen Jahren
Die die Züge drüber fahren
Oben. Über frisch gewellte Locken
Ritter Bodo, Stückpreis Achtzehn Fünfzig
Die Palette schiebt aufs Band
Den Blick zu Boden, stinkt, die Nase rümpft sich
Endlich kommt Verstärkung angerannt
Zehn Kerle. Renitenz wird winzig
„Basti, Mann! Schlag zu. Der ist bekannt…“
Dienstag, 22. September 2020
Die Scheiße mit der Scheiße
Erstellt von kraehenpost um 15:59
Was ist das eigentlich für ein Leben,
Das sie uns zum Leben geben?
„Sie“ - Und das ist interessant -
Sind dabei Phänomen von Stand
Und Status. Bist du wohlbestellt
Mit Bildung, Freundschaft oder Geld
Bist Du dabei. Bist Du das „Sie“,
Das uns bestimmt. Dann hast Du nie
Gedacht, dass irgendwelche Mächte
Alles regeln. Gute, schlechte,
Miese Zeiten dir bereiten
Und doch alle Schuld bestreiten.
Bist Du aber nicht dabei,
Kraft Chromosomen, Geld und schrei-
end großem Unrecht, hast du Pech.
Dann war Gott wohl ein Arschloch, nech?
Dann musst du mit dem Scheißgefühl,
Dass SIE Dich ficken, ins Gewühl
Des Lebens stürzen
Und - guess what -
Natürlich gibt es keinen Gott.
Kein „Sie“ und auch kein Scheißsystem
Ich weiß es, denn ich hab‘s geseh‘n.
Es gibt nur Dich und uns hier oben.
Alles and‘re ist gelogen.
zuerst veröffentlicht hier: kofferwoerter.trivial.studio
Montag, 21. September 2020
Warum denn ausgerechnet ein Kirschbaum?
Erstellt von kraehenpost um 11:19
In einem Kirschbaum, mitten in der Stadt
Sitzt Annmarie, die keine Eltern hat.
Das ist okay, sie - Annmarie - ist alt
Und wenn man alt ist, sind die Eltern kalt.
Sprich: Lange mausetot. Und leicht verwest,
Auch schwer mitunter. Siehst ja, wenn du stehst
Am Grab die einsunk'nen Stellen rund-
herum. Das machen Zeit und Würmer und
Natürlich Feuchtigkeit und viele Pilze.
Nur die Knochen sind noch da. Wer will'se
Denn auch fressen. Da kommt Weinen von,
Das kennt man schon vom Hühnerbeineessen...
Also: Annmarie. Sie lacht stattdessen
Über einen Mann am Fuß des Baums,
Der fleht und flucht, doch hört sie's oben kaum.
Ist hoch geklettert, sieht nur seinen Mund
Wie er sich öffnet, schließt. Mal Strich, mal rund
Und denkt sich: Matschepampe. Sind die Eltern
Matschepampe, die in Holzbehältern
Wohl behütet in das Jenseits schwappt?
Wo sich ein Höllenhund die Knochen schnappt
Und all der Glibbersiff in Charons Schiff
Auf frisch geschrubbte Eichenplanken trifft?
Was, wenn man einfach hier im Baum
Verreckt? Das tropft doch kaum
Bis auf die Erde
Blätter werden
Leichensaft kanalisieren
Käfer werden hochmarschieren
Und die Pilze und die Würmer
Werden ihren Leichnam stürmen
Ganz egal ob unten oder oben
Ob im Himmel oder in der Hölle
Schnell geht anders. Aber: Grüne Welle.
Niemals wieder runter aus der Höhe
Nein. Sie bleibt.
Bis eine Tages eine Böe
Ihren letzten Knochen in die Gosse treibt.
Sonntag, 20. September 2020
Vierzeiler des Tages
Erstellt von kraehenpost um 23:44
Es hat, in später Juninacht,
Ein Kind die Eltern umgebracht.
Gefragt, warum, kratzt's sich am Ohr:
"Ich hatte grad nichts bess'res vor."
Samstag, 19. September 2020
Fremder Typ. Süßigkeiten. Ihr kennt das Spiel
Erstellt von kraehenpost um 22:55
„Wunder!“! rief der Typ von Beteigeuze,
Als er eines nachts die Erdbahn kreuzte
Und auf einem Feld in Iowa
Ein Einhorn sah.
Und als das Einhorn schließlich spät
Zuhaus, gefragt, ob’s Hunger hätt’
Die Snackmaschine zeigt,
Die’s jetzt am Euter trägt,
Da fragt die Mutter: „Welches Euter?
Und wos sag I jetzt die Leute?“
Zückt das Einhorn flugs ein „Schleck“
(Ein Beteigeuze-Mode-Snack)
Was keiner nie bereute
(Werbeslogan auf dem Beutel).
Schwups. War Muttern weg.