Krähenpost
Montag, 21. September 2020

Warum denn ausgerechnet ein Kirschbaum?

In einem Kirschbaum, mitten in der Stadt Sitzt Annmarie, die keine Eltern hat. Das ist okay, sie - Annmarie - ist alt Und wenn man alt ist, sind die Eltern kalt.

Sprich: Lange mausetot. Und leicht verwest, Auch schwer mitunter. Siehst ja, wenn du stehst Am Grab die einsunk'nen Stellen rund- herum. Das machen Zeit und Würmer und Natürlich Feuchtigkeit und viele Pilze. Nur die Knochen sind noch da. Wer will'se Denn auch fressen. Da kommt Weinen von, Das kennt man schon vom Hühnerbeineessen...

Also: Annmarie. Sie lacht stattdessen Über einen Mann am Fuß des Baums, Der fleht und flucht, doch hört sie's oben kaum. Ist hoch geklettert, sieht nur seinen Mund Wie er sich öffnet, schließt. Mal Strich, mal rund Und denkt sich: Matschepampe. Sind die Eltern Matschepampe, die in Holzbehältern Wohl behütet in das Jenseits schwappt? Wo sich ein Höllenhund die Knochen schnappt Und all der Glibbersiff in Charons Schiff Auf frisch geschrubbte Eichenplanken trifft?

Was, wenn man einfach hier im Baum Verreckt? Das tropft doch kaum Bis auf die Erde Blätter werden Leichensaft kanalisieren Käfer werden hochmarschieren Und die Pilze und die Würmer Werden ihren Leichnam stürmen Ganz egal ob unten oder oben Ob im Himmel oder in der Hölle Schnell geht anders. Aber: Grüne Welle.

Niemals wieder runter aus der Höhe Nein. Sie bleibt. Bis eine Tages eine Böe Ihren letzten Knochen in die Gosse treibt.

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