Krähenpost
Freitag, 28. August 2020

Die flüsternden Eichen

Unweit der Kirche, rechts neben dem Turm, Da hat eine Gruppe von Eichen dem Sturm Der Zeit widerstanden. Sie steh'n einfach da Und flüstern im Wind. (Nur sehr leise, is‘ klar).

Denn wären sie lauter und jemand hört mit, Gäb‘s großes Hallo. "Krank! Die reden? No shit?!" Auch abseits vom floral-oralen Skandal Gäb‘s inhaltlich Provokationspotential:

Die Eichen, sie haben schon lange kapiert, Dass Stehen und Schweigen allein nicht pläsiert. Genauso war klar, dass nur Smalltalk auf Zeit Ziemlich nervtötend ist. Kurz: Man wird ihn schnell leid.

Denn Wetter, Befruchtung und Krankheiten sind Mal irgendwann durch. Und dann steh‘ste im Wind Und hast nix zu sagen. Ein „Du, ich muss los...“ Ist irgendwie peinlich und, tja, aussichtlos.

Drum haben die Bäume (es war Krieg, und sie hatten Grad kaum mehr zu tun als Nazis beschatten) Beschlossen, sie bräuchten wohl eine Agenda Mit Themen. Problem: Es war kein Referent da!

Doch ganz ohne kundige Einstiegsgrundlage Bleibt so ein Diskurs häufig kurz und auch vage. Was blieb? Lang verlegenes Scharr‘n mit den Wurzeln Noch während im Schatten die Nazis umpurzeln.

„Die Kirche!“ rief eine, „direkt nebenan! Hat viel schon erlebt und wir immer nah dran! Wir haben gesehen, wie Heiden getauft, Wie Hexen verbrannt und Vergebung erkauft,

Wir haben die Kreuzzüge loslatschen sehn, Und später den Luther zum Bischof hingeh‘n, Wir haben gehört, wie der Pfarrer noch grad Die Juden beschimpft und dann abgeholt hat.

Wir sind kraft Beobachtung, Standort und Zeit Die größten Experten im Land weit und breit Für Kirchengeschichte und auch Religion, Das ist doch ein Thema für viel Diskussion!“

Die anderen schwiegen. Dann eine: „Warum? Die Sache ist klar: Wer glaubt ist halt dumm. Die Religion nutzt eine Sehnsucht nach Sinn Für Machtmaximierung und Geltungsgewinn.“

Die anderen nicken noch, als nebenan Bei Glockengeläute `ne Frau und ein Mann Mit Brautkleid und Anzug zur Kirche hingeh‘n Und kurz zu der Gruppe von Eichen hinseh‘n.

Er: „Hörst du sie flüstern? Sie wünschen uns Glück!“ Sie: „Deutlich. Oh Erwin! Komm, trag mich ein Stück!“ Der Pfarrer steht schon in der Tür und er winkt Dem Paar mit dem Kreuz, das im Sonnenlicht blinkt.

Der Wind frischt auf, bläst in die Blätter hinein, Die Eichen, sie flüstern im trauten Verein. „Ist frisch heut“, sagt eine zum restlichen Tross, „War nett euch zu sehen. Ich... muss dann mal los...“