Krähenpost
Mittwoch, 26. August 2020

Die Fliege

Im Bücherschrank, bei Kierkegaard, Wo Wahrheit nah am Wahnsinn lag, Sah ich sie eines Tages liegen, Still, verkrümmt. Die Stubenfliege.

Offenbar belesen hat Sich dies Tier noch bis ins Grab An den letzten großen Fragen Abgeplagt. Ich muss schon sagen: Heidewitzka und Respekt! Hab nie ein Insekt entdeckt Das mit solcher Leidenschaft Sich des Sinnens stiller Kraft Bis zuletzt befleißigt hat Ob erfolgreich? Keiner sagt, Keiner weiß es. Denn nun lag Sie vertrocknet (und zwar arg) Im Regal. Und sah geplagt, Fast vergrämt aus. Ich erschrak!

Was, wenn uns're Philosophen, Diese klugen (manchmal doofen) Denker/innen all die Zeit Mit den Fragen, die sie weit Häufiger als Einsicht fanden, Die Insektenwelt zuschanden Und zugrund' gerichtet haben? Weil die Fliegen, Käfer, Maden All die paradoxen Schleifen Durchaus sehn, doch nicht begreifen Konnten. Und dann sehr frustriert Ihres Lebens verlustiert Und abhanden 'kommen sind...

Möglich wär’s! Ich nahm geschwind Meinen allerbesten Besen Und lies diesem armen Wesen Ein Begräbnis ersten Rangs An der Wand des Bücherschranks Hinter Hegel, Marx und Kant Angedeih'n. Und wenn ich mal Müde von des Denkens Qual Mich erinnern will, wie gut Großhirnschmalz beim Denken tut, Zieh ich Hegel, Marx und Kant Aus dem Schrank, schau an die Wand Und beschau die Fliege: "Dich! Hat’s vernichtet. Und mich nich!"