Freitag, 18. September 2020
Abendröte
Erstellt von kraehenpost um 23:57
Es schrumpeln in der Abendröte
Gerdchen, Rolf und Margarethe.
Rolf und Gerdchen war'n ein Paar,
Was Margreth nicht so gerne sah.
Zwar war sie eher liberal,
Doch nicht, als Rolf ihr Gerdchen stahl.
Sie fand die beiden in flagranti
Im Gemeinschaftsbad. Da stand sie
Mit weit aufgeriss'nen Augen
Und sah Rolf an Gerdchen saugen.
Gerdchen wiederum, der hing,
Und nicht im übertrag‘nen Sinn,
Nah hinter Rolf, was visuell
Nicht ganz problemlos vorzustell‘n.
Es kam der Abend, kam das Essen,
Kamen Pillen und Vergessen,
Und schon morgens hing ihr Mann
Wie eh und je an Margreth dran.
Und Rolf saß traurig in der Ecke,
Träumte, starrte an die Decke,
Und fand Gerdchen wunderschön...
Ach, würd er nur herüber sehn!
Doch nur die and'ren sah'n Rolfs Nöte
Morgens in der Abendröte.
Donnerstag, 17. September 2020
Distraction
Erstellt von kraehenpost um 11:59
Die Schwabbelmama mampft dem Kind
„Fafluft! Die Küchenfugen find
Fo gräfflich fad. Und ohne Falf
Macht alles Lecken keinen Fpaff.“
Das Kind entgegnet: „Du, Mamá,
Akustisch täte dein Blabla
Ganz generell schwer profitieren
(Schwer. Gnihi.), würd'st du pausieren
Deinen Mampf, solang du sprichst.“
Die Mutter nur: „Iff för diff niff!“
Das Kind: „Dann nimm doch, geht das bitte,
Aus dem Ohr die Riesenfritte!“
Mama speit: „Daf ifft ein Nagel!
Auff den Fliefenfugen! Fpargel!
(‚Spargel‘, soviel zur Erklärung,
Ist ein Fluch bei Fehlernährung.)
Kind: „Ich gehe jetzt zur Schule,
Wo in Selbstmitleid zu suhlen
Ich ein wenig Muße find‘,
Bis dann der Mobbing-Krieg beginnt.“
Und Mutter schreit: „Wirft du gequält?!“
Das Kind: „Nur wenn‘s der Jens erzählt.
Doch achten wir schwer (Gnihi) auf
Viel Diskretion beim Milch-Einlauf.
Und das, was auf die Fliesen fließt,
Das wischt er weg. Da geht nix schief.“
Die Schwabbelmama: „Fo ifft rechft!
Faut nur, daff ihr den Popo trefft!“
Und also gehn sie ihrer Wege:
Mutter fröhnt der Fliesenpflege
Und das Kind packt den Tournister:
Stifte, Zange, Milchkanister.
Mittwoch, 16. September 2020
Ein Koffer Wörter (1)
Erstellt von kraehenpost um 23:36
Ans Abteil herangeflanscht
Lädt vom Käfig aus die Krähe
Alle Gäste ein zum Krunch,
Wo man mittags sie wohl sähe.
Müsste gerade nur den Koffer
Schließen, den ein Dichter ihr
Vom Poexitus betroffen,
Übergeben habe. Ihr!
Darin stapeln sich die Wörter
Keins davon besonders schön
Eher interässlich. Werte
Gäste, ach! Das müsst ihr sehn!
Schau auch du den ollen Koffer!
Rollen kann er offen nicht,
Und solang er koffenstoffert
Hat er Wörter auch für Dich.
Dienstag, 15. September 2020
Abzählreim
Erstellt von kraehenpost um 23:17
Ene, Mene, Katzenpisse
Im Kontinuum gibt’s Risse
Eben war noch Kambrium
Schwups, bringt sich'n Mammut um
Hat mit seinem Rüsselknochen
Das Anthropozän gerochen
Rüsselknochen gibt es nicht?
Mammut, jetzt versteh ich dich!
Montag, 14. September 2020
Der Topf
Erstellt von kraehenpost um 23:08
Auf des Herdes hoher Roste
Stand ein Topf, der blubbernd toste.
Hitze kam von unten her,
Was nicht überraschend wär,
Wäre da nicht ein Detail, das
Nicht so recht zum vord'ren Teil passt.
Dieser Topf, von dem die Rede
War, war wahrlich eher blöde.
Nicht, dass man von einem Topfe
Viel erwartet, doch im Kopfe
Sitzt die eine oder ande're
Hypothese beieinander.
Töpfe, denkt man, können nicht
Wirklich viel. Sie sind meist dicht
(Außer sie sind einfach Eimer.
Und der Eigentümer - einer
Namens Heinrich - hat ne Liese,
Die den Kerl auf dieses stieße.)
Jedenfalls, ein Topf, der dicht ist,
Kocht halt, was grad so Gericht ist,
Ohne dies zu kommentieren,
Denn als Topf hat man Manieren!
Also siedete das Wasser
Ungestört, doch es wurd' krasser...
Schon ein Blick unter den Boden
Hätt' dem Topf das Lid gehoben,
Was bei Topfes-Mimik-Deutern
Wohl als Zeichen leichten Meuterns
Gegen klare Fakten gälte.
Topfvokabular für: Schelte.
Denn da unten war kein Feuer,
Keine Platte im Gemäuer
Eingefasst, mit Hitzespulen,
Wo sich Induktionsstrom suhlen
Kann, bis oben etwas köchelt,
Und vor Hitze hechelnd röchelt.
Woher also kam die Flamme,
Der des Topfes Glut entstammen
Konnte, und dank der das Gut
Seines Inn'ren kochen tut,
So, dass Eiweißmolekülen
Bald im Schweiß die Hüllen fielen?
Stand der Herd auf einer Spalte?
Worin Magma offen walten
Konnte, bis zur Topfestäuschung?
Könnte sein. Denn das Geräusch und
Der Gestank von unten her
Stützt die These eher sehr!
Trotzdem falsch. Es war ein Drache,
Der in einer großen Lache
Blut gerutscht bis in die Küche
War, und nun dank der Gerüche
Hungrig nach dem Essen schrie,
Während er sein Feuer spie.
Ob der Drache bald sein Essen
Kriegte, bleibt wohl im Ermessen
Eines Lesers dieser Zeilen.
Denn der Dichter mag nicht weilen,
Wo die Drachenherrschaft dämmert!
Bin ja schließlich nicht behämmert.
Sonntag, 13. September 2020
Violkas Opa
Erstellt von kraehenpost um 21:14
Wir haben sehr viel an Violka gedacht
Zuletzt
Und wenig nur an ihren Opa
Wir haben gehofft und gebangt bis zuletzt
Bis jetzt
Ein Telefon läutet. Die Kunde vom Ende
Sie eilt durch Europa
Ein Leben verschwendet
Violka: Sie schläft
Ganz ruhig. Im allergemütlichsten Zimmer
Vom Opa
Doch Lenka ist
„Opa?“
„Violka!
Wir wussten, es endet… Schlaf weiter.“
Ist tot, ist
„Opa, wer schreit da?“
„Violka, die Mama…"
Ist
Lenka ist tot weil sie Krebs hatte
„Mama hat Krebs. Wir wussten es…“
Und statt am Bett seiner einzigen Tochter
Sitzt Opa am allergemütlichsten Bett hier im
Allergemütlichsten Zimmer
Der alte gemütliche Opa
Sitzt hier bei Violka, er hat heut’ - selbst heute! Sehr viel an Violka gedacht
Er wird ihr noch so viele Jahre
Noch so viele endlose Jahre muss er ihr erzählen
Von Lenka der einzigen Tochter der einzigen Mutter
Von Lenka die heute an Krebs und obwohl er schon
Gütig und alt und gemütlich ein Opa ist
Weint er und flucht er und schreit er sie alle an
Außer Violka, die aussieht wie Lenka nur ohne den Krebs
Im Gesicht und er weint und er hat seine Lenka verloren
Zuletzt hat die Kunde vom Ende geläutet
Sie eilt’ durch Europa
Und alle sie denken heut nur an Violka
Bis jetzt
Und wenig nur an ihren Opa
Samstag, 12. September 2020
Widerstehe der Semantik
Erstellt von kraehenpost um 22:31
Widerstehe der Semantik
Des Altweibersommers nachzuhängen!
Schneller als du Semasiologie gegoogelt hast,
Hängt schon die erste reife Dame irgendwo am Baum
Und harrt der Ernte.
Fallobstschicksal zu entrinnen ist
Das oberste Gebot,
Denn:
Wer will eingekocht, zerteilt und vakuumverglast
In Kellern harren?
Denk ich hier als einziger
„Schneewittchen“?
What?
Widerstehe dem Alterweibersommer,
Dieser MILF der Jahreszeiten!
Hat das Beste schon erlebt und wartet auf den Sturm,
Die Ernte, auf das große Futtern und Verfüttert werden.
Nüsse fallen, Äpfel rotten und Kastanien platzen
Schier vor Neid, nur
Eckern buchen Korsika
Zu Nebensaisonpreisen
Plus Coronaabschlag.
Sonne tief und irgendwie obszön
In ihrer Torschlusspanik,
Spinnenfäden fliegen durch die Morgenluft
Und setzen sich dem blondgefärbten Lehrerinnenrest
Auf Kopf und botoxlahme Züge.
Widerstehe dem September,
Fürchte den Oktober
Und umarme Regenwolken
Wie ein kühles Bett im Juli.
Buntes Laub ist saisonaler Bäumisch-Dialekt
Bedeutet: tot. Zum Fressen
Freigegeben und
Kastanien zu begraben.
Hängt die reifen Damen
An die Oberleitung,
Uns vor dieser Jahreszeit
Zu Warnen.