Krähenpost
Freitag, 18. September 2020

Abendröte

Es schrumpeln in der Abendröte Gerdchen, Rolf und Margarethe. Rolf und Gerdchen war'n ein Paar, Was Margreth nicht so gerne sah. Zwar war sie eher liberal, Doch nicht, als Rolf ihr Gerdchen stahl. Sie fand die beiden in flagranti Im Gemeinschaftsbad. Da stand sie Mit weit aufgeriss'nen Augen Und sah Rolf an Gerdchen saugen. Gerdchen wiederum, der hing, Und nicht im übertrag‘nen Sinn, Nah hinter Rolf, was visuell Nicht ganz problemlos vorzustell‘n.

Es kam der Abend, kam das Essen, Kamen Pillen und Vergessen, Und schon morgens hing ihr Mann Wie eh und je an Margreth dran. Und Rolf saß traurig in der Ecke, Träumte, starrte an die Decke, Und fand Gerdchen wunderschön... Ach, würd er nur herüber sehn! Doch nur die and'ren sah'n Rolfs Nöte Morgens in der Abendröte.

Donnerstag, 17. September 2020

Distraction

Die Schwabbelmama mampft dem Kind „Fafluft! Die Küchenfugen find Fo gräfflich fad. Und ohne Falf Macht alles Lecken keinen Fpaff.“

Das Kind entgegnet: „Du, Mamá, Akustisch täte dein Blabla Ganz generell schwer profitieren (Schwer. Gnihi.), würd'st du pausieren

Deinen Mampf, solang du sprichst.“ Die Mutter nur: „Iff för diff niff!“ Das Kind: „Dann nimm doch, geht das bitte, Aus dem Ohr die Riesenfritte!“

Mama speit: „Daf ifft ein Nagel! Auff den Fliefenfugen! Fpargel! (‚Spargel‘, soviel zur Erklärung, Ist ein Fluch bei Fehlernährung.)

Kind: „Ich gehe jetzt zur Schule, Wo in Selbstmitleid zu suhlen Ich ein wenig Muße find‘, Bis dann der Mobbing-Krieg beginnt.“

Und Mutter schreit: „Wirft du gequält?!“ Das Kind: „Nur wenn‘s der Jens erzählt. Doch achten wir schwer (Gnihi) auf Viel Diskretion beim Milch-Einlauf.

Und das, was auf die Fliesen fließt, Das wischt er weg. Da geht nix schief.“ Die Schwabbelmama: „Fo ifft rechft! Faut nur, daff ihr den Popo trefft!“

Und also gehn sie ihrer Wege: Mutter fröhnt der Fliesenpflege Und das Kind packt den Tournister: Stifte, Zange, Milchkanister.

Mittwoch, 16. September 2020

Ein Koffer Wörter (1)

Ans Abteil herangeflanscht Lädt vom Käfig aus die Krähe Alle Gäste ein zum Krunch, Wo man mittags sie wohl sähe.

Müsste gerade nur den Koffer Schließen, den ein Dichter ihr Vom Poexitus betroffen, Übergeben habe. Ihr!

Darin stapeln sich die Wörter Keins davon besonders schön Eher interässlich. Werte Gäste, ach! Das müsst ihr sehn!

Schau auch du den ollen Koffer! Rollen kann er offen nicht, Und solang er koffenstoffert Hat er Wörter auch für Dich.

Dienstag, 15. September 2020

Abzählreim

Ene, Mene, Katzenpisse Im Kontinuum gibt’s Risse Eben war noch Kambrium Schwups, bringt sich'n Mammut um Hat mit seinem Rüsselknochen Das Anthropozän gerochen Rüsselknochen gibt es nicht? Mammut, jetzt versteh ich dich!

Montag, 14. September 2020

Der Topf

Auf des Herdes hoher Roste Stand ein Topf, der blubbernd toste. Hitze kam von unten her, Was nicht überraschend wär, Wäre da nicht ein Detail, das Nicht so recht zum vord'ren Teil passt.

Dieser Topf, von dem die Rede War, war wahrlich eher blöde. Nicht, dass man von einem Topfe Viel erwartet, doch im Kopfe Sitzt die eine oder ande're Hypothese beieinander.

Töpfe, denkt man, können nicht Wirklich viel. Sie sind meist dicht (Außer sie sind einfach Eimer. Und der Eigentümer - einer Namens Heinrich - hat ne Liese, Die den Kerl auf dieses stieße.)

Jedenfalls, ein Topf, der dicht ist, Kocht halt, was grad so Gericht ist, Ohne dies zu kommentieren, Denn als Topf hat man Manieren! Also siedete das Wasser Ungestört, doch es wurd' krasser...

Schon ein Blick unter den Boden Hätt' dem Topf das Lid gehoben, Was bei Topfes-Mimik-Deutern Wohl als Zeichen leichten Meuterns Gegen klare Fakten gälte. Topfvokabular für: Schelte.

Denn da unten war kein Feuer, Keine Platte im Gemäuer Eingefasst, mit Hitzespulen, Wo sich Induktionsstrom suhlen Kann, bis oben etwas köchelt, Und vor Hitze hechelnd röchelt.

Woher also kam die Flamme, Der des Topfes Glut entstammen Konnte, und dank der das Gut Seines Inn'ren kochen tut, So, dass Eiweißmolekülen Bald im Schweiß die Hüllen fielen?

Stand der Herd auf einer Spalte? Worin Magma offen walten Konnte, bis zur Topfestäuschung? Könnte sein. Denn das Geräusch und Der Gestank von unten her Stützt die These eher sehr!

Trotzdem falsch. Es war ein Drache, Der in einer großen Lache Blut gerutscht bis in die Küche War, und nun dank der Gerüche Hungrig nach dem Essen schrie, Während er sein Feuer spie.

Ob der Drache bald sein Essen Kriegte, bleibt wohl im Ermessen Eines Lesers dieser Zeilen. Denn der Dichter mag nicht weilen, Wo die Drachenherrschaft dämmert! Bin ja schließlich nicht behämmert.

Sonntag, 13. September 2020

Violkas Opa

Wir haben sehr viel an Violka gedacht Zuletzt Und wenig nur an ihren Opa

Wir haben gehofft und gebangt bis zuletzt Bis jetzt Ein Telefon läutet. Die Kunde vom Ende Sie eilt durch Europa Ein Leben verschwendet Violka: Sie schläft Ganz ruhig. Im allergemütlichsten Zimmer Vom Opa Doch Lenka ist „Opa?“ „Violka! Wir wussten, es endet… Schlaf weiter.“ Ist tot, ist „Opa, wer schreit da?“ „Violka, die Mama…" Ist Lenka ist tot weil sie Krebs hatte „Mama hat Krebs. Wir wussten es…“ Und statt am Bett seiner einzigen Tochter Sitzt Opa am allergemütlichsten Bett hier im Allergemütlichsten Zimmer Der alte gemütliche Opa Sitzt hier bei Violka, er hat heut’ - selbst heute! Sehr viel an Violka gedacht Er wird ihr noch so viele Jahre Noch so viele endlose Jahre muss er ihr erzählen Von Lenka der einzigen Tochter der einzigen Mutter Von Lenka die heute an Krebs und obwohl er schon Gütig und alt und gemütlich ein Opa ist Weint er und flucht er und schreit er sie alle an Außer Violka, die aussieht wie Lenka nur ohne den Krebs Im Gesicht und er weint und er hat seine Lenka verloren Zuletzt hat die Kunde vom Ende geläutet Sie eilt’ durch Europa Und alle sie denken heut nur an Violka Bis jetzt Und wenig nur an ihren Opa

Samstag, 12. September 2020

Widerstehe der Semantik

Widerstehe der Semantik Des Altweibersommers nachzuhängen! Schneller als du Semasiologie gegoogelt hast, Hängt schon die erste reife Dame irgendwo am Baum Und harrt der Ernte. Fallobstschicksal zu entrinnen ist Das oberste Gebot, Denn: Wer will eingekocht, zerteilt und vakuumverglast In Kellern harren? Denk ich hier als einziger „Schneewittchen“? What?

Widerstehe dem Alterweibersommer, Dieser MILF der Jahreszeiten! Hat das Beste schon erlebt und wartet auf den Sturm, Die Ernte, auf das große Futtern und Verfüttert werden. Nüsse fallen, Äpfel rotten und Kastanien platzen Schier vor Neid, nur Eckern buchen Korsika Zu Nebensaisonpreisen Plus Coronaabschlag. Sonne tief und irgendwie obszön In ihrer Torschlusspanik, Spinnenfäden fliegen durch die Morgenluft Und setzen sich dem blondgefärbten Lehrerinnenrest Auf Kopf und botoxlahme Züge.

Widerstehe dem September, Fürchte den Oktober Und umarme Regenwolken Wie ein kühles Bett im Juli. Buntes Laub ist saisonaler Bäumisch-Dialekt Bedeutet: tot. Zum Fressen Freigegeben und Kastanien zu begraben.

Hängt die reifen Damen An die Oberleitung, Uns vor dieser Jahreszeit Zu Warnen.

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