Krähenpost
Samstag, 30. Mai 2020

Schwanensee

Ein Kuckuck kuckt von seinem Kuck Auf Zoten seines Seins zuruck... Die Sache mit dem Schwan, z. B., Den er einst sah - auf einem See Wie dieser auf dem Wasser hockt Als sei’s ´ne Geiß - und er der Bock. Worauf dem Kuck’ zu schwan‘ begann Dass hier ein Hockerschwan wohl schwamm.

Nun war der See recht groß. Zum Gluck Saß Kuckuck hoch auf seinem Kuck Und konnt’ den Schwan noch hocken sehn Als and‘re nur den Hals sich dreh‘n Von ferne sah’n, doch war es wohl Das ganze Tier, das fast frivol In Kreiseln sich zu einem Schiff Vielmehr zur Antriebsschraube schliff Und dort mit einem leisen Plopp Als Federbausch, wenn auch recht grob, Ganz herrlich auseinanderstob.

Dem Kuckuck zuckten auf dem Kuck Die Knuspern. Und er flog zuruck.

Donnerstag, 28. Mai 2020

Morgengruß

Der Eichel häht: „Ein Bussard busst Am Himmel hoch! Er busst bewusst So hoch und träg Und stürzt dann doch Herab zum Schluss

Würgt jedes Eich! Hörnt jede Natter! Wündelweich Mit Hochgenuss Und macht die Flatter.“

Mittwoch, 27. Mai 2020

Frühjahr

Fenster auf! Ich tausch das Rauschen Des Computers gegen Luft und Kinderlärm und Leicht gerupfte Weidenwipfel, die im Wind sich bauschen Blütentupfensymphonie und Sonnenwärme Pollenallergie und Schnupfen

Dienstag, 26. Mai 2020

Starbuckstassensammlung

Nennt mich Ismael. Ich habe eine Starbuckstassensammlung Weil ich dachte, dass ich Kaffee mag und fremde Städte und Was sie (die fremden Städte) auf die Tassen pinseln

Ein paar Jahre ist es her, da hatte ich kein Geld im Beutel Aber eine Starbuckstasse in der Küche, die aus Barcelona kam Da hab ich Fanta draus getrunken, weil Kaffee zu eklig war

So dacht ich mir, ich wollt den wässerigen Teil der Welt besehen Also hab ich Fernsehen angemacht, N24, Flugzeugträgerdoku Manchmal war der Ozean zu sehen zwischen all den Arschgesichtern

Ist so meine Art, dass, immer wenn ich merke, dass ich Um den Mund herum so grimmig werde, dass ich Ozeane gucke Mit der Starbuckstasse und der Fanta in der Hand und Kuchen

Das ist mein Ersatz für Kugel und Pistole (ist auch billiger und Weniger gefährlich) und es schmeckt auch besser (kommt Natürlich auf den Kuchen an, denn Fanta schmeckt mir immer)

Daran ist nichts überraschendes und weil es funktioniert Hab ich den Fantakistenvorrat aufgestockt, den Kuchenvorrat Und auch meine Starbuckstassensammlung

(Heimlich spare ich auf einen Flugzeugträger voller Arschgesichter Vor dem Ozean)

Montag, 25. Mai 2020

Milchzahn

Wer sagt es ihr? Den Alte-Leute-Text mit Jahren Und der Jugend und mit der Vergänglichkeit? Wer sagt der laut-vergnügten Lücke mit dem Blutzahn In dem schnottenkrustensatten Händchen Dass es keinen Grund zur Freude gibt?

Ach kuck! Da issa ja, der Satz! Der, Wäre man nicht pazifielbeschäftigt Schnell als nasenblutverschmierter Klumpen Diesem Sager in der alten Fresse landen würde! Nur weil du ein mittelstark-verpfuschtes Leben vor dir herträgst wie den Scheck aus dem Vergleich im Musterfeststellungsverfahren Arschloch gegen Arschlochfirma Ist dein Wunsch nach Neu noch lange keine Norm Nicht mal besonders sinnvoll Denk dir nur: Nochmal dein ganzes Arschlochleben! Macht doch keinen Sinn

Ich sage: Raus den viel zu kleinen Zahn! Und größer, besser, krasser werden als Der mittelstark-verpfuschte Loser Mit dem Nasenbluten So viel Zeit muss sein

Freitag, 22. Mai 2020

Auf dem Speicher

Manchmal gähnt der Tag mich an, Das Maul weit aufgesperrt, dass ich Das Zäpfchen zucken sehe im Minutentakt, Dass sein Gestank nach unverdauter Zeit Mich würgen lässt

Dann kotz ich Großbuchstabensuppe in mein WeWeWe Dann geh ich auf Besuch zu meinem Einkaufskorb Im WeWeWe Und stopfe ihm und meinem Tag das Maul Mit Sternen, die an Dingen hängen. Immer fünf, wie ein versoffener Advent.

Dann leg ich mich vor meine Tür Und schau dem gelben Mann durch ihren Schlitz zu Wie er beige Boxen stapelt Bis das Schlitzlicht dunkelbeige Dann rot und schließlich schwarz wird Und erlischt

Dann träum ich von der Zeit Die roch, wie frisch gemähtes Gras Und Sommerstaub auf einem Speicher Voller Kisten zwischen Sonnenstrahlen Und ich ahne, dass es es einfach Beige Boxen der Verwandten waren Deren Zäpfchen nicht mehr zuckt

Sonntag, 23. Juni 2019

Mastodon@social_work – Eine didaktische Fallstudie

Gerade ist mein Blockseminar beendet, ich sitze zurück im Zug nach Hannover, und da mehrere meiner Mastodon-Follower Interesse am Outcome des heutigen Tages gezeigt haben, hier mal meine ersten Eindrücke:

Vorgeschichte Ich gebe dieses Jahr eine Lehrveranstaltung an der Universität Kassel. Thema: Medienerziehung - Medienkompetenz - Jugendmedienschutz: Grundlagen erfolgreicher Medienarbeit mit Kindern und Jugendlichen. Klingt sperrig? Ist sperrig! Und vor allem ist es viel zu viel für eine einzige Veranstaltung. Für die Studierenden der Sozialen Arbeit, die dieses Fach belegen können, wird allerdings im Bereich Medien oder IT nicht superviel angeboten und daher dachte ich: Wenn schon Orchideenfach, dann aber gleich ein Riesenstrauß Orchideen. Mit Schlagsahne obendrauf und gut umrühren.

An dieser Stelle kommt vielleicht auch schon die erste Enttäuschung für einige Leser_innen: Es geht hier ziemlich wenig um Technik. Und ziemlich viel um dieses Soziale und um die Zielgruppe Jugendliche. Natürlich muss man, um Mastodon und das Fediverse zu verstehen, auch ein wenig in die Technik eintauchen, nur bringt’s halt nix, wenn man in die Tiefen von ActivityPub, Linux-Server-Admin oder Ruby einsteigt und die Studierenden verfluchen die verf*e Verschwendung ihres Samstags. Dachte ich zumindest.

Die Blockveranstaltung Mastodon war die vorletzte Sitzung meines Seminars. Vorher hatten wir uns bereits mit aktuellen Mediennutzungsmustern von Kindern und Jugendlichen beschäftigt, mit Chancen und Risiken dieser Mediennutzung, mit dem gesetzlichen Jugendmedienschutz (und warum der eher so mittel bis gar nicht funktioniert), mit Entwicklungsvoraussetzungen von Kindern und Jugendlichen bei der Mediennutzung, (Lest ihr noch mit? Ist gleich vorbei, versprochen), mit Medienkompetenz und Medienerziehung (Kurzfassung: Medienkompetenz ist das, was alle toll finden, aber keiner hinkriegt, Medienerziehung ist das, was wirklich hilft, wofür Eltern, Lehrer_innen und Erzieher_innen aber nie Zeit oder Nerven haben). Wir haben Beispiele gelungener Medienarbeit vorgestellt, über die Messbarkeit und Evaluation guter Medienarbeit gesprochen sowie über Medienethik. Puh. Da kommen wir also her. Viel akademisches Zeug. Jetzt galt es, dies geballte Wissen irgendwie auch mal anzuwenden. Also: Mastodon. Das Ziel: Wir hosten unsere eigene Mastodon-Instanz für Jugendliche. Mit eigenen Regeln und eigener Moderation.

Die eigene Instanz Für viele Leser_innen ist es wahrscheinlich ein träger Fingerschnips, und schwupps habt ihr eure eigene Mastodon-Instanz installiert. Für mich ist das schon kurz vor der Grenze meiner Linux-Admin-Fähigkeiten. Und die meisten meiner Studies sagen: sudo -what?!! Zum Glück gibt es masto.host von Hugo Gameiro. Dort kann man sich für 7 Eurolein im Monat eine eigene Instanz unter dem Namen denkdirwasaus.masto.host einrichten (lassen). Das geht wirklich mit ein paar Mausklicks und die einzige kognitive Leistung, die man zeigen muss, ist die Auswahl des Namens der Instanz. Ich hab Hugo noch kurz vorher eine Nachricht geschickt, ob für ihn okay sei, diesen Server einzurichten, der u. U. schon in ein paar Wochen wieder gelöscht wird. Nach 5 Minuten kam zurück: „Kein Problem, Alter, ist alles automatisiert und kaum Arbeit, viel Spaß!“ Wir hatten unsere eigene Instanz in weniger als 10 Minuten.

Big day (heute) Ich hab zwar früher irgendwann mal in Medien- und Kommunikationswissenschaft promoviert, aber den besseren Teil meines beruflichen Lebens hab ich IT-Entwickler_innen gesagt, wie sie ihre Arbeit machen müssen. Auch wenn (oder weil) ich selbst nicht coden kann. Der Euphemismus dafür heißt Scrum-Master und meine Unfähigkeit, Prozesse verlässlich zu organisieren, ist in Wirklichkeit eine Stärke. Nämlich. Ich nenne es agil. Umso überraschender, dass ich einen Plan hatte, wie wir im Seminar diese Mastodon-Sache angehen. Und weil ich, wie oben ausgeführt, aus dieser agilen Methodologie komme, hab ich den Tag in Stand-up, Sprint-Plannings, Minisprints und Demos organisiert. Hier also der Plan

  1. 10:15 – 10:30 - Standup: Begrüßung - Vorstellung des Plans - Zeitplanung

  2. 10:30 - 11:00 - Minisprint: Getting acquired: Setup your Mastodon profile

  3. 11:00 – 11:15 – Demo: Erste Eindrücke , Probleme, Fragen

  4. TOP 4 - 11:15 – 11:25 – Sprint Planning: Einteilung in 3 Gruppen mit folgenden Epics: Gruppe 1: Recherche: Was ist Mastodon? Gruppe 2: Formulierung des Mission statements unserer Instanz Gruppe 3: Exploring possibilities: Moderation auf Mastodon

  5. TOP 5 - 11:25 – 12:00 - Uhr: Minisprint in den 3 Gruppen

  6. TOP 6 – 12:00 – 12:20 - Demo: Vorstellung der Gruppenergebnisse

  7. 12:20 – 12:50 - Lunch break

  8. 12:50 – 13:00 – Sprint Planning: Einteilung in 3 Gruppen mit folgenden Epics: Gruppe 1: Recherche - The „Will Wheaton Incident” Gruppe 2: Recherche - Federation in struggle: Gab, Free speech and WTF? Gruppe 3: Sinnvolle Server-Standardeinstellungen und Nutzer-Instruktionen in einer Mastodon-Instanz für Jugendliche

  9. 13:00 – 13:30 - Minisprint in den 3 Gruppen

  10. 13:30 - 14:00 - Demo: Vorstellung der Zwischenergebnisse

  11. 14:00 – 14:10 – Sprint Planning: Einteilung in 3 Gruppen (plus eine Geheimgruppe 4) mit folgenden Epics: Gruppe 1: Welcome, but… - Formulierung einer Server-Beschreibung und Kurzbeschreibung Gruppe 2: Formulierung der erweiteren Serverbeschreibung und der Terms of use Gruppe 3: Festlegen der Moderations-Standards Gruppe 4 (Werwölfe von Düsterwald): Vorbereitung Problematischer Posts (siehe TOP14)

  12. 14:10 - 14:40 – Minisprint in den 3 Gruppen

  13. 14:40 – 15:10 – Demo: Vorstellung der Zwischenergebnisse von Gruppe 1-3

  14. 15:10 – 15:30 - Dry run: Die Gruppe wird aufgeteilt in ein 3-4-köpfiges Moderationsteam und den Rest der Gruppe. Letztere posten Posts, folgen sich und machen Social-Media-Dinge im Rahmen des in TOP4 formulierten Mission Statements. Teil beider Gruppen können allerdings Werwölfe sein. Die werden irgendwann nach TOP 11 von mir via Mastodon per Direktnachricht und dem Inhalt „Werwolf“ angeschrieben. Ab diesem Zeitpunkt fangen sie an, unangemessene Dinge zu posten oder sich sozial mehr ode weniger auffäliig (in negativer Weise) zu verhalten. Außerdem bekommen sie noch kurze Instruktionen wie z. B. „Immer ganz haarscharf an der Grenze zum Zulässigen formulieren“ oder „Tilde-Mode!“ oder ähnliches. Das Moderationsteam muss im Rahmen der vorher selbst festgelegten Regeln die Beschwerden der „normalen“ Nutzer bearbeiten, ggflls. verwarnen, muten, löschen oder bannen.

  15. 15:30 – 15:45 – Demo: Diskussion der Moderationsergebnisse

  16. 15:45 – 16:00: Abschlussdiskussion

Die Realität Die Realität war gnädig. Bis Top 10 lief alles recht knorke. Es gab beim Einrichten der Profile vereinzelte Probleme mit den E-Mail-Bestätigungen. Ein Studierender hat mein echtes Mastodon-Profil identifiziert und sich beschwert, Teil eines sozialen Experimentes zu sein (ich hatte unter @kraehenpost@mastodon.social im Vorfeld ja über mein Vorhaben berichtet). Okay, eigentlich hat er sich nicht so richtig beschwert, mehr so „HAHA! Ich weiß wer Du bei mastodon.social bist!“

Aber es gab auch deutliche Abweichungen von meinem Plan. Die technischen und organisatorischen Details von Mastodon und Fediverse waren für die Studies deutlich schwerer herauszuarbeiten, als ich gedacht hatte. Die dafür eingeplante halbe Stunde ad-hoc-Recherche reichte natürlich eh nicht (das war auch nicht geplant, ich wollte eigentlich nur erreichen, dass ein gewisses Grundgefühl dafür entsteht, was das Fediverse von Social-Networks wie Twitter und Facebook unterscheided). Aber ich hatte den Eindruck, dass die Differenz zwischen Fediverse und Twitter/Facebook/Instagram für viele der Studierenden nicht sonderlich relevant zu sein schien. Ich halte das für eine ziemlich wichtige Erkenntnis, dass kluge, technisch und technologiepolitisch aber nicht besonders vorgebildete Leute letztlich nur ein Produkt sehen ("Okay, Mastodon sieht doch ziemlich ähnlich aus wie Twitter, wenn man das helle Layout wählt"), und dass die organisatorischen Unterschiede, die vielen kleinen anders getroffenen Entscheidungen auf Produktebene, der dezentrale und eher gemeinschaftliche Ansatz dahinter sehr gut erklärt werden müssen, um überhaupt als relevant wahrgenommen zu werden.

Für TOP 8 und TOP 9 haben wir schließlich viel mehr Zeit benötigt, als geplant. Diese Will-Wheaton-Sache wurde ziemlich intensiv diskutiert (wenn ihr nicht wisst, worum es da geht, werft mal die datenschutzfreundliche Suchmaschine Eurer Wahl an und lest euch ein). Und natürlich wurde ich gefragt: Wie war es denn nun wirklich? Wer hat sich denn jetzt falsch/ungeschickt verhalten? Tja, Leute, weiß ich nicht. (Genauer gesagt: Ich hab da schon eine Meinung, aber die ist nicht besser oder schlechter als eure eigene. Und eine objektive Wahrheit gibt es in dem Fall nicht, sondern nur verschiedene Perspektiven).

Bei diesem ganzen Gab-Nazi-Kram gab es dagegen ziemlich klar den Konsens, dass Nazis eben scheiße sind, dass Nazi-Free-Speech genauso scheiße (und in D. in vielen Fällen eine Straftat) ist. Blocken also kein Problem, eher fraglich, ob man als Instanz in D. überhaupt die Wahl hat, sowas wirklich NICHT zu blocken. Dennoch: Wir hatten letztlich nicht mehr Zeit genug, um TOP 11 – 13 so richtig zu schaffen und haben den Dry run (TOP14) dann ohne ganz festes Regelwerk durchgezogen. Die Werwölfe hab ich On-the-Fly nominiert und sie haben einen guten Job gemacht. Das Moderationsteam allerdings auch. Sie haben ziemlich konsistent Werwolf-Inhalte verwarnt, gemutet und gebannt. Ganz interessant fand ich die Ergebnisse der Gruppe 3 in Top 8, als es darum ging, sinnvolle Server-Standardeinstellungen und Nutzer-Instruktionen in einer Mastodon-Instanz für Jugendliche zu formulieren. Die Studierenden war dort teilweise deutlich retriktiver und regulativer als ich.

Mein persönliches Fazit In der Abschlussrunde waren die Studierenden ganz zufrieden mit dem Tag. Sie hätten allerdings gerne deutlich mehr Zeit gehabt, um die Feinheiten des Fediverse genauer zu verstehen. Und ich hab mir vorgenommen, sollte ich noch mal eine ähnliche Veranstaltung planen, doppelt so viel Zeit einzuplanen und neben den (für meine Zielgruppe natürlich auch wichtigen) sozialen Aspekten des Fediverse auch die damit verbundenen technischen Feinheiten deutlich intensiver zu bearbeiten. Vielleicht ist das tatsächlich der Schlüssel zum Verständnis des Potentials dezentraler Netzwerke: Dass es Rückkopplungen zwischen Technologie und Gesellschaft, Code und Usern gibt, die nicht beliebig sind. Dass die Art, wie wir soziale Technologien entwickeln und fördern, sehr relevante Wirkungen auf die Gesellschaft hat.

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