Freitag, 11. September 2020
S41
Erstellt von kraehenpost um 15:48
Der Junge in der S-Bahn starrt
Das Mädchen an, das still verharrt.
Es krallt sich an den Kinderwagen.
Frühgebährend, wie sie sagen,
Dort im Amt in Moabit,
Wo es den guten Kaffe gibt,
Links, an der Tanke Putlitzbrücke
Agib, scheißegal, sie rücken
Stets zusammen, wenn sie kommt.
Die Kleine plärrt nur selten und
Kriegt häufig noch an Ort und Stelle
Gläßchen aus der Mikrowelle.
Denn im Amt wird‘s dauern. Immer.
Wann? Warum? Kein‘ blassen Schimmer.
Und der Junge starrt ihr nach
Die Westhafener Bahnsteig-Brach
Entlang. Die Ringbahn fährt , er schlägt
Das Heft auf. Holden Caulfield trägt
Die ganze Last von 16 Jahren
Durch Manhattan. Alter. Waren
Das noch Zeiten. Und Probleme.
Heut‘ gibts Ritalin-Ödeme
Und dies Mädchen mit dem Kind.
Fuck. Und doch: Wahrscheinlich sind
Sie alle ziemlich gleich gefickt
Vom Leben in die Bahn geschickt
Den Ring, S41, wo
Ein Hämatom am Arsch (und so)
Kaum stört, weil‘s keinen interessiert.
Man starrt und liest und hat‘s kapiert.
Donnerstag, 10. September 2020
Kazad-dûm
Erstellt von kraehenpost um 17:25
Der kleine König saß bequem
In Mazarbul, doch das Ekzem
Auf seinem Hintern juckte bald,
Im wurde heiß, ihm wurde kalt,
So dass der ganzen Zwergenschar
Um ihn herum bald bange war:
„Der Alte brütet etwas aus...“
Da poltert‘s schon aus ihm heraus:
„Ich hör es murren!“ poltert er,
„Das Volk der Zwerge braucht mich mehr
Als je zuvor! Als seinen Herrn!
Kommt! Lasst uns einen Troll wegsperrn!“
„Die Trolle, mein Gebieter, sind“,
Sagt einer kriecherisch geschwind,
„Die Trolle sind schon lange fort.
Sie sollten weg, jetzt sind sie dort,
Wo keiner sie mehr sehen kann
Und bauen uns ´ne Autobahn.“
„Scho‘ recht...“ Der kleine König hebt
Die Hand, die Zwergenmenge bebt,
„Holt einen dieser Trolle her!
Und lasst ihn frei, mit viel Geplärr!
Und dann, wenn alle es gehört,
Dann hetzt das Arschloch und zerstört
Sein Haus, sein Auto, seinen Pass
Und jagt ihn fort. Das schürt den Hass
Und bringt uns Credibility
Im Reich der Zwerge ein. Und wie!“
Gesagt, gejagt. Der Troll ist bald
Ein Klumpen Matsch, so ist das halt
Im Reich der Zwerge immerdar,
In Kazad-dûm, in Moria.
Als viele Jahre später dann,
Längst hatte man die Autobahn,
Der König spät zum Essen kam,
Da faucht ihn seine Tochter an:
„Grad musste ich im Fernsehen sehn,
Dass Trolle an der Grenze stehn!
Sehr arm und hungrig schaun sie aus!
Ey, das verdirbt den Abendschmaus
Und jegliche Gemütlichkeit!
Komm Vater, schau und jag die Leit‘
Zum Deibl, wo sie hergekroch‘n!
Mir is Wurscht, in welches Loch 'n!“
Hatten sich die Biester also
Rasch vermehrt, der König stahl, so-
Bald es ging sich aus dem Haus
Und sandte seine Schergen aus.
Sie waren schnell zurück, sehr bleich,
Bis einer schließlich, merklich weich
Die Knie, zum Zwergenkönig trat
Und ihm die böse Botschaft sagt:
„Es sind unendlich viele, Herr!
Nach meiner Zählung sogar mehr
Als siebzehn, ach! Als achtzehn gar
Und alle schrecklich undankbar
Für all die Arbeit, die wir ihnen
Immer gaben, uns zu dienen!
Einige markieren auch
Krankheit, halten sich den Bauch,
So als hätten‘s überfressen
Sich die Mägen! Währenddessen
Unsere Experten sagen:
‚Schmarrn! Die hänn do nix im Magen!‘
Und das Schlimmste: Überall
Die Journaille, sog I mal,
Und sobald du einen Troll
Nur ein bisschen zwickst, wird voll
Draufgehalten! Und gesendet!
Wois do jeda, wie des endet!
Zack - sind alle Grenzen offen
Und die Linken schwer betroffen!“
„Na! Na! Na!“ Der König lehnt
Sich zurück. Er reibt und dehnt
Sich die Finger. Denkt kurz nach,
Schmunzelt und schlurft ins Gemach.
„Lasst sie mal ein bisschen toben.
Trolle streicheln. Lasst die Wogen
Sich verziehn im Lauf der Zeit.
Bittschön, ja? I kenn die Leit.
Irgendwann hab‘n sie genug
Und wolln nur ia Ruah zuruck
Dann ist uns‘re Zeit, wir jagen
Alle Trolle fort und sagen
Dass sie unsre Töchter schänden.
Damit lossn wos dann bewenden.
Des hat passt scho immerdar
In Kazad-dûm, in Moria.
Mittwoch, 9. September 2020
Der Wolf
Erstellt von kraehenpost um 11:53
Es stand am Waldesrand allein,
Die Schnauze feucht und hoch das Bein,
Herr Peters, seines Zeichens Arsch
Mit Wohnsitz in der Wesermarsch.
Zehn Meter nur von seinen Haus
Ist Peters, wie so oft schon, raus
Zum Waldrand hinterm Zaun marschiert
Und pinkelt lang und ungeniert.
Er wähnt sich ohne Zeugen, was,
Bei altem Baumbestand und Gras,
Das vor ihm wächst, auch naheliegt,
Bis plötzlich sich ein Bäumchen biegt
Und über junge Triebe bricht
Ein Wolf ins Licht, der hackedicht
Von schwarz gebranntem Fusel spricht:
"Wasmasduhier? Ich... kenndichnich!
Herr Peters, das ist allbekannt,
Ist auch der Chef vom Grundbuchamt,
Dem, wenn er nicht am Waldrand pisst,
Die Ordnung hoch und heilig ist.
So hebt er, als er sich erholt
Vom Schrecken hat, und ungewollt
Den Schniedel fast im Reißverschluss
Geklemmt hat, seine Hand zum Gruß:
"Der Name ist, wie’s auf dem Schild
An meiner Haustür abgebild'
Gut lesbar für Passanten steht
'Herr DOKTOR Peters'. Und, wenn’s geht,
Würd ich, bevor wir beiden jetzt
Den Sachverhalt des Wegerechts
Den Sie, Herr Wolf, ganz offenbar
Sehr anders seh 'n, als Ich ihn sah
Als ich dies Haus am Waldesrand
Mit Waldstück letztes Jahr erstand,
Würd ich zunächst den Dichter bitten,
Meinen Titel, den erstritten
Ich sehr stolz bin, hier im Stück
Bis hoch zum ersten Vers zurück
In voller Länge zu erwähnen.
So viel Zeit sollt' man sich n(a)ehmen!"
Das, und hier spricht jetzt der Dichter,
War zwar schlecht gereimt, doch spricht er,
Also Peters, etwas an,
Das erwägenswert ist. Wann
Hat ein Dichter Möglichkeit,
Wenn vielleicht auch nur im Streit,
Einer seiner Hauptfiguren
Mittels Rekursivstrukturen
Etwas mehr Gerechtigkeit
Zu gewähren? Und so sei
Alles, was bisher berichtet
Rückgespult und neu gedichtet:
Neulich also stand am Wald,
Nase hoch und Schniedel kalt,
Dieser Arsch von Grundbuchamt,
DOKTOR Peters, und er stand
Nicht allein. Nur war ihm das
Nicht bekannt. Und als ins Gras
Sein Urin sich tröpfelnd fraß
Brach durchs frische grüne Nass
Dieser Wolf, der, stark betrunken,
Ethisch schon recht tief gesunken
War, und ohne große Dramen
DOKTOR Peters auffraß. Amen.
Dienstag, 8. September 2020
Werner
Erstellt von kraehenpost um 17:20
Die Szene spielt im Supermarkt
Grad neben Sahne, Milch und Quark.
Der Typ, um den es geht, hockt still
Vorm Kühlregal und schluchzt sehr viel.
Vor ihm steht die Kassiererin.
Sie schämt sich fremd, sie schaut kaum hin.
Zu Unrecht, klar, damit Ihr's wisst!
Weil der da sitzt das Opfer ist.
Was ist passiert? Ihr ahnt es schon,
Es geht um Masken, Pflicht und Fron.
Die Kumpels nennen ihn den "King"
Er macht nicht mit! Er fläzt sich hin.
Jetzt hat er schon seit 9 Uhr früh
Nix mehr gegessen. Ohne Müh!
Doch er baut ab, das kann man sehn,
Kein Wunder, ist gleich schon halb zehn.
Der King bleibt hart, hat, statt zu spuren,
Sich gesetzt, mit Magenknurren,
Vor der keifenden Walküre
Scheint er keine Angst zu spüren.
„Masken müssen alle Kunden“,
Sagt sie nochmals unumwunden
„Tragen, wenn sie diesen Laden
Letztlich zu betreten wagen!“
„Niemals nie!“ Der King heult auf
„Ich habe ein Attest!!“ Worauf
Der tapfere Geselle schnell
Zur Tasche greift, die sich im Fell
Des Mantels, den er trägt, versteckt.
Der Zettel, den er, leicht verdreckt,
Herauszieht, wirkt sehr offiziell,
Kein Wunder, wurd‘ er doch speziell
Im Copyshop für ihn kopiert,
Vom Inhaber höchstselbst signiert,
Und darauf steht: „Ich, Werner König,
Finde Masken doof. So. Nämlich!“
Stempel drauf und laminiert
Wirkt das Papier hübsch ausstaffiert
Mit Würde, Siegel und Courage...
Doch hilft‘s nix! Werner ist ein Arsch.
Und ignorant. Selbstmitleid spritzt,
Wenn er da auf dem Boden sitzt,
So maskenlos und voller Qual,
Nach rechts und links und überall.
„Artikel Eins!“ krakelt er laut
Bevor er merklich Schneid abbaut.
Zu wenig Zucker, das rafft ihn,
Den Widerständler, schnell dahin.
„Artikel 1 is‘ da nicht drin“,
Die Frau zeigt zu der Kasse hin,
„Bei uns hab‘n alle Waren vier
Oder auch fünf Stell‘n, sag ich dir.
Das liegt an unserem Kassen-dings
Damit‘s auch stimmt am Ende. Stimmt’s?“
Doch Werner schweigt und heult jetzt still,
Soll sie doch quatschen, wie sie will.
Er hält das hier noch lange aus
Bis zehn bestimmt. Und der Applaus
Der Massen wird ihm sicher sein.
Dem König. King! Dem armen Schwein.
Montag, 7. September 2020
Yvonne
Erstellt von kraehenpost um 17:22
Durchs Fenster strahlt die Sonne rein...
Ach Gott, das soll ein Anfang sein?!
Ja was? Nicht Avantgarde genug?
Klingt ausgelutscht und wenig klug?
Und Paarreim? Wie bei Wilhelm Busch?
Bei Loriot? Ja..., Bravo..., Tusch...
Wir sind im Jahre Zwanzig nach
Millenium-Bug und Expo-Schmach
(Was soll das sein? fragt ihr. Ich schrei:
Ey, was weiß ich?! War zwar dabei,
Doch bin ich alt und gammelig
Steht so im Netz. Was weiß denn ich?)
Na gut, dann strahlt die Sonne nicht...
Und nu'? Wo isse? Wat weiß ich!
Schon explodiert? Ach nein? Was dann?
Wie fang ich‘s an? Sag's, alter Mann!
Durch‘s Fenster strahlt halt IRGENDWAS:
Die Sonne, Lady Gaga, Gas...
Als wenn Gas strahlt... Dann gucks doch nach!
Gasstrahlung. Wikipedia. Ach?
Okay. Ein Fenster. ETWAS strahlt.
Ein Klimanotstand droht. Doch halt!
Die Rettung naht! Zu Plump...? Ach wie?
Wenn sie nicht naht, kommt sie dann nie?
Durchs Fenster... weißte was? Egal.
Rumms! Fenster zu! Du kannst mich mal.
Da kommt kein Gas und keine Sonne,
Und stattdessen kommt: Yvonne!
Wie man‘s schreibt, mit lautem „e“
Damit sich‘s reimt. Ach was? Ach nee.
Sie kommt, wie‘s sich normal gehört,
Durch eine Tür. Und sie betört
Den Dichter und die Musen und
Steht in der Wohnung. Ohne Grund.
Nur mit ´ner Wumme in der Hand.
Drückt ab. Lacht. Heulte. Und verschwand.
War das jetzt Avantgarde genug?
Mit Tempuswechsel, Tod und Trug?
Ganz ohne Sonne jedenfalls
Hat uns Yvonne plattgewalzt.
Okay. Erschossen. Wie auch immer.
Schlimm genug. Teil 2 wird schlimmer.
Sonntag, 6. September 2020
Herr Rosmarin
Erstellt von kraehenpost um 20:22
Herr Rosmarin kam nicht umhin
Den Namen eher schlimm zu finden
Den man ihm beim Ortstermin
In Clausthal-Zellerfeld verliehn.
Man rief ihn schlicht den "Kräutermann"
Was fies war, weil in Jugenjahr'n
Ein ebensolcher Mann ankam
Und Rosmarin das Leben nahm
Nicht was ihr denkt! Herrgott nochmal!
Der Kräutermann kam nur und stahl
Dem Rosmarin die Kampfmoral
Indem er Medizin empfahl
So tauschte also Rosmarin
Den Rucksack mit den Büchern drin
Gegen 'nen Schuss mit Heroin
Und Heroin ist ganz doll schlimm!
Herr Rosmarin verlor Kontrolle
BAföG, Studium, seine Olle
Bis man ihm befahl, er solle
Auf Entzug. Wenn er denn wolle...
Also Clausthal-Zellerfeld.
Die Klinik aber kostet Geld
Und um zu seh'n, ob's ihm gefällt
Wird erst ein Ortstermin gewählt
Und justament an diesem Tag
Steht Rosmarin am Tor und sagt
Dem Pförtner wie er heißt und wagt
Ein Witzchen, was dem nicht behagt.
So ruft der ungehalt'ne Mann
Sodann bei seiner Chefin an
Und kaum hat er Frau Doktor dran
Sagt er: "Hier steht so'n Kräutermann..."
Krawumms! Der Name sitzt. Und schon
Springt Rosmarin zum Telefon
Und schreit, das sei doch reiner Hohn!
Und das mit ihm! In diesem Ton!
Das war so mittelhilfreich und
Frau Doktor sah nun keinen Grund
Ihn trotz Termins und Sucht-Befund
Hier aufzunehmen. Diesen Hund!
So kam es dass Herr Rosmarin
Noch häufig vor Gericht erschien,
Doch Clausthal-Zellerfeld wurd ihm
Zum Glück erspart. Na Immerhin.
Samstag, 5. September 2020
Mein Monster
Erstellt von kraehenpost um 23:23
Mein Monster ist ein Schild
Auf dem „Frau Rose“ steht
Ein Schild der Bundesagentur für
Einhundert Prozent Korrekt Bedruckte Schilder
Punkt
Die Bundesagentur für Einhundert Prozent Korrekt Bedruckte Schilder
Ist ein Scheißverein mit sehr viel Geld und Zeit und vielen Türen
Hinter denen Dinge wie Frau Rose harren
Sehr verhuschte Dinge
Voller Angst und Schüchternheit und Scheu
So dass man sie beschützen muss
Mit Schildern
Monsterschildern
Punkt
So wie das Schild, auf dem „Frau Rose" steht
Mit einer großen, schweren Zimmernummer
Die viel größer und bestimmt viel schwerer
Als Frau Rose ist
Die Nummer, die das halbe Schild einnimmt
Die Steroid-gepäppelte Schwippschwägerin der kleinen Nummer
Auf dem leicht zerknickten Taschenmonster
Das ich aus der Jacke ziehe
Das sich falten lässt
Ganz anders als das Monster vor der Tür
Das Schild, auf dem „Frau Rose“ steht
Das niemals zittert wie mein Taschenmonster
Niemals nass vom Regen wird
Das keine Kaffeeflecken hat vom Warten
Auf dem Schreibtisch neben dem Computer
Punkt
Das Schild auf dem „Frau Rose“ steht
Kann brüllen, so wie alle Monster
So wie alle Monster brüllt es direkt
Ins Gehirn hinein
Es brüllt, dass ich mir einen Strick…
Moment, brüllt es, das packst du nicht
Spring einfach, brüllt es, aus dem Fenster
Hauptsache, du lässt das sehr verhuschte Dingelchen
Hinter der Tür die Dinge machen, die es gerne dingelt
Stempeln, falten und Kalender drehen
Horst anrufen, weil die Nummer dann besetzt ist
Und das Telefon nicht klingeln kann…
Das Schild brüllt: Siehst du nicht, brüllt es,
Dass du Frau Rose störst beim Dinge Dingeln?
Beim Verhuschte-Horst-Anrufe-Huschen?
Siehst du nicht, das dich dein Taschenmonster
Mit der kleinen Nummer in die Irre führt?
Dein Weg geht geradeaus, den Flur entlang zum Fenster
Geradewegs der frischen Luft und G entgegen
G = Schwerkraft
G = 9
Dann Komma
8
Dann 1
Dann Meter
Mal Sekunde
Zum Quadrat
Herrgott, brüllt es, jetzt spring schon
Aus dem Fenster
Sonst passiert noch was
Und das kann keiner wollen
Punkt
Mein Monster ist ein Schild
Auf dem „Frau Rose“ steht
Ein Schild der Bundesagentur für
Einhundert Prozent Korrekt Bedruckte Schilder
Punkt