Krähenpost
Freitag, 11. September 2020

S41

Der Junge in der S-Bahn starrt Das Mädchen an, das still verharrt. Es krallt sich an den Kinderwagen. Frühgebährend, wie sie sagen, Dort im Amt in Moabit, Wo es den guten Kaffe gibt, Links, an der Tanke Putlitzbrücke Agib, scheißegal, sie rücken Stets zusammen, wenn sie kommt. Die Kleine plärrt nur selten und Kriegt häufig noch an Ort und Stelle Gläßchen aus der Mikrowelle. Denn im Amt wird‘s dauern. Immer. Wann? Warum? Kein‘ blassen Schimmer.

Und der Junge starrt ihr nach Die Westhafener Bahnsteig-Brach Entlang. Die Ringbahn fährt , er schlägt Das Heft auf. Holden Caulfield trägt Die ganze Last von 16 Jahren Durch Manhattan. Alter. Waren Das noch Zeiten. Und Probleme. Heut‘ gibts Ritalin-Ödeme Und dies Mädchen mit dem Kind. Fuck. Und doch: Wahrscheinlich sind Sie alle ziemlich gleich gefickt Vom Leben in die Bahn geschickt Den Ring, S41, wo Ein Hämatom am Arsch (und so) Kaum stört, weil‘s keinen interessiert. Man starrt und liest und hat‘s kapiert.

Donnerstag, 10. September 2020

Kazad-dûm

Der kleine König saß bequem In Mazarbul, doch das Ekzem Auf seinem Hintern juckte bald, Im wurde heiß, ihm wurde kalt, So dass der ganzen Zwergenschar Um ihn herum bald bange war: „Der Alte brütet etwas aus...“ Da poltert‘s schon aus ihm heraus: „Ich hör es murren!“ poltert er, „Das Volk der Zwerge braucht mich mehr Als je zuvor! Als seinen Herrn! Kommt! Lasst uns einen Troll wegsperrn!“ „Die Trolle, mein Gebieter, sind“, Sagt einer kriecherisch geschwind, „Die Trolle sind schon lange fort. Sie sollten weg, jetzt sind sie dort, Wo keiner sie mehr sehen kann Und bauen uns ´ne Autobahn.“ „Scho‘ recht...“ Der kleine König hebt Die Hand, die Zwergenmenge bebt, „Holt einen dieser Trolle her! Und lasst ihn frei, mit viel Geplärr! Und dann, wenn alle es gehört, Dann hetzt das Arschloch und zerstört Sein Haus, sein Auto, seinen Pass Und jagt ihn fort. Das schürt den Hass Und bringt uns Credibility Im Reich der Zwerge ein. Und wie!“ Gesagt, gejagt. Der Troll ist bald Ein Klumpen Matsch, so ist das halt Im Reich der Zwerge immerdar, In Kazad-dûm, in Moria.

Als viele Jahre später dann, Längst hatte man die Autobahn, Der König spät zum Essen kam, Da faucht ihn seine Tochter an: „Grad musste ich im Fernsehen sehn, Dass Trolle an der Grenze stehn! Sehr arm und hungrig schaun sie aus! Ey, das verdirbt den Abendschmaus Und jegliche Gemütlichkeit! Komm Vater, schau und jag die Leit‘ Zum Deibl, wo sie hergekroch‘n! Mir is Wurscht, in welches Loch 'n!“ Hatten sich die Biester also Rasch vermehrt, der König stahl, so- Bald es ging sich aus dem Haus Und sandte seine Schergen aus. Sie waren schnell zurück, sehr bleich, Bis einer schließlich, merklich weich Die Knie, zum Zwergenkönig trat Und ihm die böse Botschaft sagt: „Es sind unendlich viele, Herr! Nach meiner Zählung sogar mehr Als siebzehn, ach! Als achtzehn gar Und alle schrecklich undankbar Für all die Arbeit, die wir ihnen Immer gaben, uns zu dienen! Einige markieren auch Krankheit, halten sich den Bauch, So als hätten‘s überfressen Sich die Mägen! Währenddessen Unsere Experten sagen: ‚Schmarrn! Die hänn do nix im Magen!‘ Und das Schlimmste: Überall Die Journaille, sog I mal, Und sobald du einen Troll Nur ein bisschen zwickst, wird voll Draufgehalten! Und gesendet! Wois do jeda, wie des endet! Zack - sind alle Grenzen offen Und die Linken schwer betroffen!“ „Na! Na! Na!“ Der König lehnt Sich zurück. Er reibt und dehnt Sich die Finger. Denkt kurz nach, Schmunzelt und schlurft ins Gemach. „Lasst sie mal ein bisschen toben. Trolle streicheln. Lasst die Wogen Sich verziehn im Lauf der Zeit. Bittschön, ja? I kenn die Leit. Irgendwann hab‘n sie genug Und wolln nur ia Ruah zuruck Dann ist uns‘re Zeit, wir jagen Alle Trolle fort und sagen Dass sie unsre Töchter schänden. Damit lossn wos dann bewenden. Des hat passt scho immerdar In Kazad-dûm, in Moria.

Mittwoch, 9. September 2020

Der Wolf

Es stand am Waldesrand allein, Die Schnauze feucht und hoch das Bein, Herr Peters, seines Zeichens Arsch Mit Wohnsitz in der Wesermarsch.

Zehn Meter nur von seinen Haus Ist Peters, wie so oft schon, raus Zum Waldrand hinterm Zaun marschiert Und pinkelt lang und ungeniert.

Er wähnt sich ohne Zeugen, was, Bei altem Baumbestand und Gras, Das vor ihm wächst, auch naheliegt, Bis plötzlich sich ein Bäumchen biegt

Und über junge Triebe bricht Ein Wolf ins Licht, der hackedicht Von schwarz gebranntem Fusel spricht: "Wasmasduhier? Ich... kenndichnich!

Herr Peters, das ist allbekannt, Ist auch der Chef vom Grundbuchamt, Dem, wenn er nicht am Waldrand pisst, Die Ordnung hoch und heilig ist.

So hebt er, als er sich erholt Vom Schrecken hat, und ungewollt Den Schniedel fast im Reißverschluss Geklemmt hat, seine Hand zum Gruß:

"Der Name ist, wie’s auf dem Schild An meiner Haustür abgebild' Gut lesbar für Passanten steht 'Herr DOKTOR Peters'. Und, wenn’s geht,

Würd ich, bevor wir beiden jetzt Den Sachverhalt des Wegerechts Den Sie, Herr Wolf, ganz offenbar Sehr anders seh 'n, als Ich ihn sah

Als ich dies Haus am Waldesrand Mit Waldstück letztes Jahr erstand, Würd ich zunächst den Dichter bitten, Meinen Titel, den erstritten

Ich sehr stolz bin, hier im Stück Bis hoch zum ersten Vers zurück In voller Länge zu erwähnen. So viel Zeit sollt' man sich n(a)ehmen!"

Das, und hier spricht jetzt der Dichter, War zwar schlecht gereimt, doch spricht er, Also Peters, etwas an, Das erwägenswert ist. Wann

Hat ein Dichter Möglichkeit, Wenn vielleicht auch nur im Streit, Einer seiner Hauptfiguren Mittels Rekursivstrukturen

Etwas mehr Gerechtigkeit Zu gewähren? Und so sei Alles, was bisher berichtet Rückgespult und neu gedichtet:

Neulich also stand am Wald, Nase hoch und Schniedel kalt, Dieser Arsch von Grundbuchamt, DOKTOR Peters, und er stand

Nicht allein. Nur war ihm das Nicht bekannt. Und als ins Gras Sein Urin sich tröpfelnd fraß Brach durchs frische grüne Nass

Dieser Wolf, der, stark betrunken, Ethisch schon recht tief gesunken War, und ohne große Dramen DOKTOR Peters auffraß. Amen.

Dienstag, 8. September 2020

Werner

Die Szene spielt im Supermarkt Grad neben Sahne, Milch und Quark. Der Typ, um den es geht, hockt still Vorm Kühlregal und schluchzt sehr viel.

Vor ihm steht die Kassiererin. Sie schämt sich fremd, sie schaut kaum hin. Zu Unrecht, klar, damit Ihr's wisst! Weil der da sitzt das Opfer ist.

Was ist passiert? Ihr ahnt es schon, Es geht um Masken, Pflicht und Fron. Die Kumpels nennen ihn den "King" Er macht nicht mit! Er fläzt sich hin.

Jetzt hat er schon seit 9 Uhr früh Nix mehr gegessen. Ohne Müh! Doch er baut ab, das kann man sehn, Kein Wunder, ist gleich schon halb zehn.

Der King bleibt hart, hat, statt zu spuren, Sich gesetzt, mit Magenknurren, Vor der keifenden Walküre Scheint er keine Angst zu spüren.

„Masken müssen alle Kunden“, Sagt sie nochmals unumwunden „Tragen, wenn sie diesen Laden Letztlich zu betreten wagen!“

„Niemals nie!“ Der King heult auf „Ich habe ein Attest!!“ Worauf Der tapfere Geselle schnell Zur Tasche greift, die sich im Fell

Des Mantels, den er trägt, versteckt. Der Zettel, den er, leicht verdreckt, Herauszieht, wirkt sehr offiziell, Kein Wunder, wurd‘ er doch speziell

Im Copyshop für ihn kopiert, Vom Inhaber höchstselbst signiert, Und darauf steht: „Ich, Werner König, Finde Masken doof. So. Nämlich!“

Stempel drauf und laminiert Wirkt das Papier hübsch ausstaffiert Mit Würde, Siegel und Courage... Doch hilft‘s nix! Werner ist ein Arsch.

Und ignorant. Selbstmitleid spritzt, Wenn er da auf dem Boden sitzt, So maskenlos und voller Qual, Nach rechts und links und überall.

„Artikel Eins!“ krakelt er laut Bevor er merklich Schneid abbaut. Zu wenig Zucker, das rafft ihn, Den Widerständler, schnell dahin.

„Artikel 1 is‘ da nicht drin“, Die Frau zeigt zu der Kasse hin, „Bei uns hab‘n alle Waren vier Oder auch fünf Stell‘n, sag ich dir.

Das liegt an unserem Kassen-dings Damit‘s auch stimmt am Ende. Stimmt’s?“ Doch Werner schweigt und heult jetzt still, Soll sie doch quatschen, wie sie will.

Er hält das hier noch lange aus Bis zehn bestimmt. Und der Applaus Der Massen wird ihm sicher sein. Dem König. King! Dem armen Schwein.

Montag, 7. September 2020

Yvonne

Durchs Fenster strahlt die Sonne rein... Ach Gott, das soll ein Anfang sein?! Ja was? Nicht Avantgarde genug? Klingt ausgelutscht und wenig klug? Und Paarreim? Wie bei Wilhelm Busch? Bei Loriot? Ja..., Bravo..., Tusch...

Wir sind im Jahre Zwanzig nach Millenium-Bug und Expo-Schmach (Was soll das sein? fragt ihr. Ich schrei: Ey, was weiß ich?! War zwar dabei, Doch bin ich alt und gammelig Steht so im Netz. Was weiß denn ich?)

Na gut, dann strahlt die Sonne nicht... Und nu'? Wo isse? Wat weiß ich! Schon explodiert? Ach nein? Was dann? Wie fang ich‘s an? Sag's, alter Mann! Durch‘s Fenster strahlt halt IRGENDWAS: Die Sonne, Lady Gaga, Gas...

Als wenn Gas strahlt... Dann gucks doch nach! Gasstrahlung. Wikipedia. Ach? Okay. Ein Fenster. ETWAS strahlt. Ein Klimanotstand droht. Doch halt! Die Rettung naht! Zu Plump...? Ach wie? Wenn sie nicht naht, kommt sie dann nie?

Durchs Fenster... weißte was? Egal. Rumms! Fenster zu! Du kannst mich mal. Da kommt kein Gas und keine Sonne, Und stattdessen kommt: Yvonne! Wie man‘s schreibt, mit lautem „e“ Damit sich‘s reimt. Ach was? Ach nee.

Sie kommt, wie‘s sich normal gehört, Durch eine Tür. Und sie betört Den Dichter und die Musen und Steht in der Wohnung. Ohne Grund. Nur mit ´ner Wumme in der Hand. Drückt ab. Lacht. Heulte. Und verschwand.

War das jetzt Avantgarde genug? Mit Tempuswechsel, Tod und Trug? Ganz ohne Sonne jedenfalls Hat uns Yvonne plattgewalzt. Okay. Erschossen. Wie auch immer. Schlimm genug. Teil 2 wird schlimmer.

Sonntag, 6. September 2020

Herr Rosmarin

Herr Rosmarin kam nicht umhin Den Namen eher schlimm zu finden Den man ihm beim Ortstermin In Clausthal-Zellerfeld verliehn.

Man rief ihn schlicht den "Kräutermann" Was fies war, weil in Jugenjahr'n Ein ebensolcher Mann ankam Und Rosmarin das Leben nahm

Nicht was ihr denkt! Herrgott nochmal! Der Kräutermann kam nur und stahl Dem Rosmarin die Kampfmoral Indem er Medizin empfahl

So tauschte also Rosmarin Den Rucksack mit den Büchern drin Gegen 'nen Schuss mit Heroin Und Heroin ist ganz doll schlimm!

Herr Rosmarin verlor Kontrolle BAföG, Studium, seine Olle Bis man ihm befahl, er solle Auf Entzug. Wenn er denn wolle...

Also Clausthal-Zellerfeld. Die Klinik aber kostet Geld Und um zu seh'n, ob's ihm gefällt Wird erst ein Ortstermin gewählt

Und justament an diesem Tag Steht Rosmarin am Tor und sagt Dem Pförtner wie er heißt und wagt Ein Witzchen, was dem nicht behagt.

So ruft der ungehalt'ne Mann Sodann bei seiner Chefin an Und kaum hat er Frau Doktor dran Sagt er: "Hier steht so'n Kräutermann..."

Krawumms! Der Name sitzt. Und schon Springt Rosmarin zum Telefon Und schreit, das sei doch reiner Hohn! Und das mit ihm! In diesem Ton!

Das war so mittelhilfreich und Frau Doktor sah nun keinen Grund Ihn trotz Termins und Sucht-Befund Hier aufzunehmen. Diesen Hund!

So kam es dass Herr Rosmarin Noch häufig vor Gericht erschien, Doch Clausthal-Zellerfeld wurd ihm Zum Glück erspart. Na Immerhin.

Samstag, 5. September 2020

Mein Monster

Mein Monster ist ein Schild Auf dem „Frau Rose“ steht Ein Schild der Bundesagentur für Einhundert Prozent Korrekt Bedruckte Schilder Punkt

Die Bundesagentur für Einhundert Prozent Korrekt Bedruckte Schilder Ist ein Scheißverein mit sehr viel Geld und Zeit und vielen Türen Hinter denen Dinge wie Frau Rose harren Sehr verhuschte Dinge Voller Angst und Schüchternheit und Scheu So dass man sie beschützen muss Mit Schildern Monsterschildern Punkt

So wie das Schild, auf dem „Frau Rose" steht Mit einer großen, schweren Zimmernummer Die viel größer und bestimmt viel schwerer Als Frau Rose ist Die Nummer, die das halbe Schild einnimmt Die Steroid-gepäppelte Schwippschwägerin der kleinen Nummer Auf dem leicht zerknickten Taschenmonster Das ich aus der Jacke ziehe Das sich falten lässt Ganz anders als das Monster vor der Tür Das Schild, auf dem „Frau Rose“ steht Das niemals zittert wie mein Taschenmonster Niemals nass vom Regen wird Das keine Kaffeeflecken hat vom Warten Auf dem Schreibtisch neben dem Computer Punkt

Das Schild auf dem „Frau Rose“ steht Kann brüllen, so wie alle Monster So wie alle Monster brüllt es direkt Ins Gehirn hinein Es brüllt, dass ich mir einen Strick… Moment, brüllt es, das packst du nicht Spring einfach, brüllt es, aus dem Fenster Hauptsache, du lässt das sehr verhuschte Dingelchen Hinter der Tür die Dinge machen, die es gerne dingelt Stempeln, falten und Kalender drehen Horst anrufen, weil die Nummer dann besetzt ist Und das Telefon nicht klingeln kann… Das Schild brüllt: Siehst du nicht, brüllt es, Dass du Frau Rose störst beim Dinge Dingeln? Beim Verhuschte-Horst-Anrufe-Huschen? Siehst du nicht, das dich dein Taschenmonster Mit der kleinen Nummer in die Irre führt? Dein Weg geht geradeaus, den Flur entlang zum Fenster Geradewegs der frischen Luft und G entgegen G = Schwerkraft G = 9 Dann Komma 8 Dann 1 Dann Meter Mal Sekunde Zum Quadrat Herrgott, brüllt es, jetzt spring schon Aus dem Fenster Sonst passiert noch was Und das kann keiner wollen Punkt

Mein Monster ist ein Schild Auf dem „Frau Rose“ steht Ein Schild der Bundesagentur für Einhundert Prozent Korrekt Bedruckte Schilder Punkt

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